Der Tanzkunst geht es wie den anderen Künsten: Je leichter sie wirkt, desto härtere Arbeit steckt dahinter – oder eben ein Genius. Ein solches Wunder ist der tschechisch-niederländische Choreograf Jirí Kylián, der dem Nederlands Dans Theater mit seinen Werken zu Weltruhm verhalf und soeben 60 Jahre alt geworden ist. Zwei seiner Meisterwerke, »Petite Mort« (1991) und »Sechs Tänze« (1986), hat die Rheinoper zu dem Ballettabend »Mozart? Mozart!« zusammengefügt. Ihnen voran geht das »Requiem« von Petr Zuska, dem Ballettchef des Nationaltheaters Prag, eine offenkundige Kunstanstrengung, die Mozarts Musik nicht gut tut.
Mit großem Ernst entwirft Zuska seine Vision der ewigen Wiederkehr. Das Ballett will nicht Totenmesse, sondern Metapher des Daseins sein. Dafür hat der zeitgenössische Schweizer Komponist Richard Rentsch jene Teile ergänzt, die Mozart nicht mehr vollenden konnte. Vier Paare wirbeln in weit ausholenden Schwüngen vorbei, während eine kleine Familie, der Junge im historischen Mozart-Kostüm, Zuflucht bei einem verhüllten Objekt sucht. Mit Anbruch der modernen Zeiten offenbart sich eine gläserne Flügelattrappe auf Rollen. Die Menschen, nun in Silbergrau, betanzen ihn voller Ehrfurcht und Sehnsucht. Mit dramatischen Effekten übersetzt Zuska die Musik aus dem Orchestergraben, wobei seine konventionelle Klassik und kühle Eleganz der überirdischen Komposition wenig gerecht wird.
Jirí Kylián hingegen hört sich tief in die langsamen Sätze der Klavierkonzerte C-Dur und A-Dur hinein und lässt geradezu kongenial sechs Paare sowie sechs Florette Liebe spielen. Süße Selbstironie und ein Hauch von Lebensweisheit umgeben ihr Miteinander, für das Kylián hinreißende Formen kreiert. Die Männer demonstrieren mit den Klingen Kraft und Eros, die Frauen Begehren, wenn sie hinter ihren rollenden Krinolinen hervortreten und Haut zeigen. Wie ein wohlmeinender Vater scheint Mozart diesen »Petite Mort«, diesen Orgasmus, zu belächeln. Als Tollerei kommt dagegen »Sechs Tänze« daher. Weiß geschminkt und gepudert tollen vier Paare über die Bühne, als hätte Kylián eine Dienerschaft aus dem 18. Jahrhundert im Kämmerlein erwischt. So leicht kann Tanzkunst sein. TROUW