Richard Meiers strahlend weiße Museen bekrönen Bergrücken (Getty-Museum, Los Angeles), blicken auf Flussläufe (Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt/M.) oder ruhen gravitätisch inmitten idyllischer Parkanlagen (Museum Frieder Burda, Baden-Baden). Erst in der Wechselwirkung mit der natürlichen Umgebung erhalten die eleganten Meierschen Baukörper ihren vollen Glanz, gewinnen sie den Charakter von Pavillons. Im Kontrast: Meiers Museu d’Art Contemporani in den Altstadtgassen Barcelonas wirkt wie ein seltsamer Gast, ein wenig overdressed, aber ohne Frische. Meiers Bauten brauchen Platz, Licht und die Anmut der Natur. Und keine Frage: Das Arp Museum, der jüngste Museumsbau des amerikanischen Großmeisters, gelegen auf einem der ersten linksrheinischen Hügel kurz hinter der NRW-Landesgrenze bei Remagen, vereint alle Qualitäten, die die Natur als Umfeld zu bieten hat: eine Anhöhe mit Fernblick, ein waldreiches Hinterland (Naturschutzgebiet), die Flusslandschaft des Rheins, der hier symbolkräftig aus der Enge der Mittelgebirgslandschaft in die Weite der Ebene tritt, und im Osten das Siebengebirge, das den Horizont begrenzt. Ein weißer Burgfried, der würde- und geheimnisvoll die Baumwipfel überragt. Das Arp Museum, das am 28. September in Anwesenheit der Bundeskanzlerin feierlich eröffnet wird, ist ein helles, lichtes Schmuckkästchen, das noch luftiger wirkt als die meisten bisherigen Bauten Meiers. Oberhalb der Baumwipfel verhindert kein Laub den Einfall des Lichts, des Architekten Markenzeichen.
Mit dem »bedeutendsten und größten Museum in Rheinland-Pfalz«, so Kulturstaatssekretär Joachim Hoffmann-Götting anlässlich der Vorbesichtigung voll Stolz über das fast fertige (und anders als der Frankfurter Bau gottlob auch wasserdichte) Juwel, habe man nun »Anschluss an die nationale Oberklasse erreicht«. Da klang auch Erleichterung durch. Die ist nur zu verständlich vor dem Hintergrund einer schwierigen, 17 Jahre langen Vorgeschichte mit unterschiedlichen Überlegungen zum Standort, Unklarheiten über die Finanzierung und mit zahlreichen Entwürfen, darunter einen von Meier aus dem Jahr 1978. Architektonisch besteht über das rund 25 Millionen Euro teure Endergebnis, dessen Finanzierung sich zum größeren Teil (17,6 Mio.) dem Bonn-Berlin-Ausgleichsfond verdankt, kaum ein Zweifel: Wieder begegnen wir einer fast schwerelos wirkenden Ästhetik, dem harmonischen Zusammenspiel geometrischer Formen und der ausgewogenen Komposition offener und geschlossener Flächen – ein Gefüge, das so durchdacht komponiert erscheint, dass es keine Veränderung zu erlauben scheint. Statt des Burgvergleichs hätte der kompakte und dennoch großzügig wirkende, in seinen Umfängen moderate Bau auch hier eigentlich den mit einer großräumigen Villa verdient. Im Inneren bilden die Reihen schlanker Säulen entlang der Fassaden und die weißen Wandscheiben, die den großflächigen Fensterfronten vorgesetzt sind, die vertrauten räumlichen Gliederungselemente; der Ausstellung dienen größere fließende Räume, allerdings ohne intimere Kabinettsituationen. Zwei Ausstellungsebenen und einer überwiegend der Verwaltung dienende Ebene schichten sich übereinander, verbunden durch eine offene Treppenanlage, die Durchblicke in die jeweils anderen Geschosse erlaubt. Dunkles Eichenholz für den Fußboden setzt einen starken optischen Kontrast. Über diese vertrauten Stilelemente hinaus weist das Arp Museum Bahnhof Rolandseck architektonisch doch auch Besonderheiten auf. Das äußerlich sichtbarste Merkmal, mit dem Meier von der klassischen Strenge seiner sonstigen Museumsbauten abzuweichen sich erlaubt, ist die gläserne, konisch verlaufende Verpackung der beiden Aufzüge, die der rechtwinkligen Struktur der Fassade des Baus fast scherzhaft – oder soll man sagen dadaistisch – vorgesetzt und mit ihr durch einen gläsernen Gang verbunden ist. Der den Hügel krönende Neubautrakt ist jedoch nur der Höhepunkt eines längeren Parcours. Der Zugang erfolgt, und zwar ausschließlich, über den 2004 nach aufwändiger Sanierung wiedereröffneten klassizistischen Bahnhof im Tal, von dessen Sockelgeschoss ein Tunnelgang die Gleise unterquert. Im rechten Winkel schließt ein Gang mit seitlich angrenzendem Saal für Wechselausstellungen an; von ihm zweigt erneut im rechten Winkel ein weiterer Gang ab, der als wiederum 40 Meter langer Stollen, wie beim Straßentunnelbau üblich, in den Berg hineingetrieben wurde. Wir befinden uns in einer Sichtbetonröhre, deren seitliche Rundungen an eine Pariser Metro-Station erinnern und der von einer Lichtspirale von 90 verschlungenen Neonringen – eine Installation der Berliner Künstlerin Barbara Trautmann − spannungsvoll erhellt wird. In seiner Gesamtheit gleicht dieses Entree einem Bergwerk mit Stollensystem, das die anschließende Fahrt mit den beiden 40 Höhenmeter überwindenden Panorama-Aufzügen wie den Aufstieg aus dem Hades in die Helligkeit des Himmelsgewölbes erscheinen lässt.
Ein schöner und in seiner Vielseitigkeit auch interessanter Museumskomplex also. Und dennoch: »Wo Meier ein Fenster macht, kann ich kein Bild hinhängen«, benennt Gründungsdirektor Gallwitz die seit dem Frankfurter Museum für Kunsthandwerk bekannte Problematik der Meierschen Stilraffinements. In gewisser Weise verstärkt diese auch in Remagen spürbare Selbstbezüglichkeit der Architektur die Unsicherheiten darüber, in welcher Weise das Museum seinem Anspruch inhaltlich gerecht zu werden sucht (bei einem jährlichen Landeszuschuss von 1,78 Mio. Euro). Ursprünglich sollte es den Künstler Hans Arp als Protagonisten der Verbindung von Kunst und Natur feiern. Von der Idee eines Skulpturenparks vor dem rückwärtigen großen Fenster – im Blick auf die Lage des Hauses eigentlich naheliegend – hat man sich aus Sicherheitsgründen aber leider verabschiedet. Hans Arps Arbeiten sollen auf nur eine, die obere Ausstellungsebene beschränkt bleiben.
Bei der Eröffnungsausstellung wird der Namenspatron des Hauses die insgesamt 2.200 Quadratmeter Ausstellungsfläche mit fünf zeitgenössischen Künstlern teilen, deren Auswahl sich aus Parallelen formaler, generell künstlerischer oder – wie im Fall von Anselm Kiefer –biografischer Natur herleitet. Sophie-Taeuber Arps Arbeiten dagegen werden zur Eröffnungsausstellung noch nicht zu sehen sein. Die 90 Hans Arp-Arbeiten der Ende September beginnenden Schau selbst stammen aus internationalen Leihgaben, aus dem Besitz des Arp-Vereins und aus Sammlungen des Landes Rheinland-Pfalz. Schließlich bleibt die notorische Diskussion über die Qualität der Sammlung, die das Land vom Arp-Verein erworben hatte. Zu ihr gehören vertragsgemäß auch 49 Skulpturen, die posthum, 41 Jahre nach dem Tod des Künstlers, erst noch zu gießen wären. Wären Sie erforderlich, um das neue Haus sinnvoll zu bespielen? Eigentlich nicht, man habe genug zu zeigen, hieß es. Gallwitz kündigte an, während seiner Amstszeit jedenfalls auf die neuen Abgüsse zu verzichten. Gleichwohl aber seien posthume Güsse durchaus museumswürdig und entsprächen der üblichen Praxis, vorausgesetzt sie seien exakt ausgezeichnet. Ein Expertensymposium soll weitere Entscheidungen vorbereiten helfen. Viele nicht geklärte Fragen mithin, die derzeit offen lassen, ob die Idee, hier im Sinne Arps ein einzigartiges, durch die Architektur verstärktes Erlebnis der Verbindung von Kunst und Natur zu inszenieren, auch voll ausgeschöpft werden wird. Hoffen wir das Beste. //
Tel.: 02228/94250. www.arpmuseum.de
Arp Museum Bahnhof Rolandseck. Fotos: Horst Bernhard