Obwohl die Kunst- und Museumsbibliothek der Stadt Köln (KMB) zu den weltweit wichtigsten kunsthistorischen Schatzkammern des Wissens zählt, fristet sie ein kümmerliches Dasein. Jetzt droht sogar die Schließung. Nicht nur Kölns Kunstszene macht dagegen mobil.
Stell Dir vor, es gibt eine exzellente Kunstbibliothek, und niemand geht hin: Dieses Extremszenario kommt einem in den Sinn, wenn man sich das jüngste Trauerspiel um die seit langem gebeutelte Kölner KMB vergegenwärtigt. Errichtet wurde diese Spezialbücherei zu Kunst und Fotografie 1957 auf dem Fundament der Bibliotheksbestände des Wallraf-Richartz-Museums und des Kunstgewerbemuseums in Köln. Rund 550.000 Bücher, flankiert von zahlreichen anderen Archivalien, bieten geballte Informationen zu mehr als 100.000 Künstler*innen. Besonders dicht bestückt ist die KMB mit Veröffentlichungen zur Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts sowie zur Fotografie. Mit einem solch opulenten Bestand können hierzulande nur die Kunstbibliotheken in Berlin und München mithalten.
Ein Pfund, mit dem zu wuchern die Kunst- und Kulturstadt Köln sich glücklich schätzen sollte, möchte man meinen. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall – gleicht die KMB doch eher einem Verschiebebahnhof als einer mit Wertschätzung behandelten Bücherei. Die mangelnde Fürsorge hat Tradition: Im Neubau des Kölner Stadtarchivs, der 2021 am Eifelwall bezogen wurde, sollte die KMB eigentlich ein eigenes Geschoss erhalten. Dadurch wäre die räumliche Bedrängnis beendet, zumindest aber markant gemildert worden. Doch es kam anders: Um 20 Millionen Euro des Kulturetats einzusparen, setzte die Stadtspitze den Rotstift an, reduzierte den Entwurf des Architekturbüros Waechter+Waechter kurzerhand um ein Stockwerk und zementierte auf diese Weise das Nomadentum der KMB. Ein Musterbeispiel für kurzsichtiges Handeln.
Suche nach Ausweichquartier
In Ermangelung eines angemessenen Domizils ist die Präsenzbibliothek nach wie vor über mehrere Standorte verstreut: Während die Verwaltung in einem Gebäude in der Altstadt-Nord (Kattenbug 18-24) sitzt, sind die gewünschten Titel nach Vorbestellung (allein dieser Vorgang beansprucht ein bis drei Werktage) – prinzipiell – in zwei Lesesälen einsehbar, und zwar im Museum Ludwig und im Museum für Angewandte Kunst. Allerdings ist der MAKK-Lesesaal »aufgrund von Renovierungsarbeiten bis auf weiteres geschlossen«, wie es auf der KölnBib-Website heißt.
Und es kommt noch dicker: Das Hauptquartier im Kattenbug (dort befinden sich Büros, Lagerräume und Buchbinderei) muss die KMB zum 30. Juni 2025 räumen; der Vermieter hat den Vertrag gekündigt. Wenige Monate vor dem Exodus begann Stefan Charles, Beigeordneter für Kunst und Kultur, mit der hektischen Suche nach einem Ausweichquartier. Wachgerüttelt durch die von vielen Promis der Kulturszene unterstützte Initiative »Rettet die KMB!«, verkündete Charles kurz vor Redaktionsschluss, »dass geeignete Flächen für eine Interimsunterbringung der KMB … gefunden werden konnten. Ich werbe nun um die Zustimmung der Politik für die Anmietung dieser Flächen.« Um welches Gebäude es sich handelt, mochte Charles nicht verraten. »Dem Vernehmen nach«, spekulierte der Kölner Stadt-Anzeiger, »stand zuletzt eine Lagerhalle in Ehrenfeld als Notlösung zur Verfügung. Langfristig sollen zumindest die Büros der KMB in der früheren Kaufhof-Zentrale an der Leonhard-Tietz-Straße untergebracht werden.«
Wie sich die Kölner Stadtverwaltung durch die hausgemachte Bibliothekskrise manövriert, das erinnert eher an Flickschusterei als an durchdachtes Handeln. Kein Wunder, dass die Petition auf so breite Resonanz gestoßen ist – vom Unternehmer Patrick Adenauer bis zum Kunsthistoriker Christoph Zuschlag reicht die Liste jener, die unterzeichnet haben. Dazu Künstler*innen, Kulturmanager*innen, Journalist*innen, Museumsdirektor*innen, Galerist*innen, Sammler*innen und Kurator*innen wie Christian Boros, Gisela Capitain, Markus Dekiert, Yilmaz Dziewior, Andrea Firmenich, Candida Höfer, Anna Polke, Gerhard Richter, Günter Wallraf – sie und etliche andere prominente Persönlichkeiten brechen eine Lanze für die KMB. Gefordert wird in der Petition zum einen »eine Interimsunterbringung des Hauptstandortes, die den Zugang und die Erhaltung der gesamten Bestände bis zur Inbetriebnahme der neuen Räumlichkeiten gewährleistet«. Zum anderen drängt die Initiative auf »eine langfristige Lösung für eine angemessene Unterbringung der KMB, die Bestände, Lesesäle, Verwaltung und Werkstätten vereint.«
»Eine eingepackte Bibliothek«, warnt Isabel Pfeiffer-Poensgen, die ehemalige NRW-Kulturministerin, »verliert ihren Sinn.« Und Henrik und Mariana Hanstein vom Kunsthaus Lempertz greifen zu einem anschaulich-drastischen Vergleich: »Wir brauchen die bedeutende Kunstbibliothek genauso wie der Dachdecker die Leiter.«
»Habent sua fata libelli«, »Bücher haben ihre Schicksale«, dieses Zitat des antiken Grammatikers Terentianus Maurus wird gern verwendet, um auszudrücken, dass Bücher ihre eigenen, manchmal unvorhersehbaren Wege gehen, nachdem sie veröffentlicht wurden. Was die Bestände der KMB angeht, scheint dieser Weg geradewegs in eine Sackgasse zu führen.