Im Kunsthistorischen Museum in Wien zählt eine Tapisserie-Serie, die im 16. Jahrhundert für Kardinal Antoine Perrenot de Granvelle entstand, zu den Spitzenwerken der Wandteppich-Sammlung. Für eine Ausstellung in Mechelen wurden die »Granvelle-Gärten« nun nach Flandern verpflanzt.
Grüne Orte im Winter? Nichts lieber als das. In der kalten Jahreszeit nimmt man umso lieber Zuflucht in einer Ausstellung, die uns einen »ewigen Frühling« verheißt. Und dann auch noch genau so heißt: Der Ausflug ins Grüne erfolgt freilich nicht real, sondern im Medium flämischer Tapisserien: Antoine Perrenot de Granvelle (1517-1586), einflussreicher burgundischer Staatsmann und Kardinal, hatte 1564 in der Brüsseler Manufaktur Willem de Pannemaker die Serie »Gartenlandschaften mit Tieren« in Auftrag gegeben. Flandern genoss im 16. und 17. Jahrhundert den Ruf eines Exzellenz-Clusters der europäischen Textilkunst – in besonderem Maße galt das für Brüssel. Die »Granvelle-Gärten«, wie sie abkürzend bezeichnet werden, stehen nun im Mittelpunkt einer Sonderausstellung im Museum Hof van Busleyden in Mechelen, die darüber hinaus andere Kunstschätze aus dem Besitz des Strippenziehers am Hof der spanischen Habsburger zeigt.
1559 hatte ihn Regentin Margarethe von Parma in den Niederlanden zu ihrem Hauptberater ernannt. Ein Jahr später wurde er Erzbischof von Mechelen. Als Kunstsammler sowie als Freund und Mäzen bedeutender Maler wie Tizian hat Antoine Perrenot de Granvelle ebenso historische Fußabdrücke hinterlassen wie durch seine Ämter in den Diensten von Staat und Kirche. Tapisserien galten in Renaissance und Barock nicht bloß als schöner Wandbehang, sondern als Statussymbol: Weil die Herstellung der detailreich ausgeschilderten Bildteppiche aufwendig und teuer war, kamen diese ›Luxusprodukte‹ nur für überaus wohlhabende Sammler in Betracht.
Nach dem Tod von Antoine Perrenot de Granvelle erwarb der Habsburger-Kaiser Rudolf II. (1552-1612) die Gobelins. Das erklärt, weshalb sie heute zum Fundus des Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) gehören. Nach der Spanischen Krone besitzt das KHM die zweitgrößte Tapisserien-Sammlung der Welt – rund 750 Beispiele, vor allem aus Renaissance und Barock, werden in Wien bewahrt.
In Mechelen, der geschichtsträchtigen Stadt in der Provinz Antwerpen, nehmen die gewebten Gartenlandschaften aus der Sammlung Granvelle einen Dialog mit der Situation vor Ort auf. Ist das kulturgeschichtliche Museum, das der Humanist Hieronymus van Busleyden im frühen 16. Jahrhundert als sein Stadtpalais errichtete, doch von gleich drei Gärten umgeben: dem großen Hofgarten an der Sint-Janstraat, dem kleineren Ehrenhof an der Frederik de Merodestraat und einem dritten – umschlossenen – Areal, das hinten an das Gebäude grenzt. Erst kürzlich sind diese Gärten im Geiste der Renaissance neu angelegt worden. Weinreben, Olivenbäume, Zypressen und Rosen lassen sich nun hier entdecken – eine wahrhaft grüne Oase.
Sowohl die Museumsgärten als auch die Granvelle-Teppiche versetzen an einen Wendepunkt in der Geschichte der Landschaftsarchitektur. Waren mittelalterliche Gärten vorwiegend kleine, umhegte Flächen mit praktischem Nutzen, so läutete die Gartenkunst der Renaissance eine Wende ein: Opulenz, Öffnung zur Landschaft, geometrisch geordnete Struktur, zentrale Sichtachsen, Wasserkünste und Labyrinthe, reiche bildhauerische Ausstaffierung der Gärten durch Götter, Nymphen oder Allegorien der Jahreszeiten, Elemente und Tugenden – dank dieser Neuerungen wurde der Renaissancegarten zum Gesamtkunstwerk. In dieser Form tritt er uns auch in der Ausstellung »Ewiger Frühling« entgegen.
Die Wechselwirkung zwischen Natur und Kunst wird hier anhand von fünf Leitmotiven erforscht: Neben der Rolle von Antoine Perrenot de Granvelle als Kunstmäzen und Politiker, seine Faszination für Rom und die klassische Antike geht es um den Einfluss des Architekten Hans Vredeman de Vries auf Renaissance-Gärten in den Niederlanden. Weitere Themen sind die Bedeutung der Wissenschaft in der Beziehung zwischen Mensch, Natur und Kunst sowie symbolische Darstellungen in der Kunst der Spätrenaissance und des Frühbarock.
Besonders stolz sind die Kurator*innen des Museum Hof van Busleyden darauf, dass die Tapisserien aus dem Wiener KHM zum ersten Mal seit 500 Jahren wieder mit der »Schlacht von Tunis« vereint sind. Bei dieser Seeschlacht, die 1535 ausgetragen wurde, trugen Kaiser Karl V. und seine Verbündeten den Sieg gegen die osmanischen Streitkräfte unter Khair ad-Din Barbarossa davon. Auch dieses monumentale Schlachtenbild – heute eine der Hauptattraktionen im Museum Hof van Busleyden – war einst Teil der Sammlung von Granvelle.
»Ewiger Frühling. Gärten und Tapisserien in der Renaissance«, Museum Hof van Busleyden, Mechelen, 14. Dezember bis 16. März 2025