Das Künstlerkollektiv »Raum 13« darf endlich zurück in die historischen Industriegebäude des »Otto-Langen-Quartiers« in Köln-Mülheim. Mehr als drei Jahre hat der Prozess gedauert. Entstehen sollen hier eine Kunsthalle, ein Co-Working-Space und eine Tauschbörse für Baumaterialien.
Durch die Asphaltschicht im Hof haben sich Moos, Gräser und ganze Büsche gekämpft. Ein fast schon idyllischer Garten ist hier entstanden, wo zwischen 2011 und 2021 das Künstlerkollektiv Raum 13 ihr »Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste« eingerichtet, Performances und Theateraufführungen inszeniert und so auch die Gebäude vor Verfall und Vandalismus bewahrt hatte. Im Laufe der vergangenen drei Jahre verwandelte sich das »Otto-Langen-Quartier« allerdings in eine Art Lost Place: zerbrochene Scheiben, abmontierte Stromkabel, herabgefallene Deckenverkleidungen, Efeu, der sich im Treppenhaus durch einen Fensterspalt zwängt. Wer das Gelände an der Deutz-Mülheimer-Straße, hinter der Kölner Messe, heute sieht, kommt nicht darauf: Bis zum Zweiten Weltkrieg war dies einer der innovativsten Industriestandorte der Welt. Ab 1869 befand sich hier die weltweit erste Gasmotorenfabrik von Nicolaus August Otto und Eugen Langen. Sie war die Grundlage für den Motorenbau von Gottlieb Daimler und Carl Benz, aber auch für Klöckner Humboldt Deutz, die heute noch als Deutz AG in Köln Motoren bauen, aber den Mülheimer Standort 2002 aufgaben.
Genau in diese Gebäude wollten die Gründer von »Raum 13«, Anja Kolacek und Marc Leßle, unbedingt zurück. In zehn Jahren hatten sie das Gelände zugänglich gemacht, musikalisch und theatral bespielt. Nun haben sie den dicken Schlüsselbund zurück – und schon mit dem Aufräumen begonnen. Der damalige Eigentümer, ein Immobilieninvestor, hatte ihnen den Mietvertrag gekündigt, weil er die Gebäude verkaufen wollte. Die Stadt Köln machte von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch – und vermietet das Gelände jetzt zu einem symbolischen Betrag von einem Euro pro Monat wieder an »Raum 13«. Zehn Jahre läuft der neue Mietvertrag mit der Stadt, zwar als Zwischennutzung, aber immerhin eine Grundlage, um zu investieren: Etwa eine Million Euro soll die Sanierung kosten. Die Pläne dafür und das neue Nutzungskonzept sind längst fertig, sie waren der Ausgangspunkt für die Vermietung und sind in enger Absprache mit der Stadt Köln entstanden.
Quartier für Kultur, Gewerbe und Wohnen
»Es war ein vertrauensvoller Prozess in den letzten Monaten«, betont Anja Kolacek. Allerdings ein Verwaltungsprozess, der dafür sorgte, dass es so lange dauerte, bis »Raum 13« wieder einziehen konnte. Der größte Teil gehört immer noch dem Land NRW, mit dem die Stadt Köln in Verhandlungen ist. Ein kleinerer Teil gehört einem Investor, der auch andere Grundstücke in der Gegend besitzt. Und die gesamte Umgebung ist das »Projektgebiet Mülheimer Süden«. Seit über zehn Jahren wird an der Entwicklung der in sieben Teilbereiche gegliederten Fläche von 46 Hektar gearbeitet – zu erkennen ist das allerdings bislang lediglich auf dem Papier. Für das »Otto-Langen-Quartier« ist ein Nutzungsmix aus Kultur, Gewerbe und Wohnen vorgesehen, gemeinwohlorientiert und mit dem Anspruch, den historischen Baubestand zu erhalten.
Mit der Kultur legt »Raum 13« jetzt jedenfalls los: Schon im Sommer 2025 hoffen die Akteur*innen Teile des Gebäudes und vor allem den jetzt noch verwunschenen Hof wieder nutzen zu können. Neben absolut notwendigen Reparaturen wird als erstes aber ein »Lager des zirkulären Umschichtens und Bauens« eingerichtet, nicht ganz uneigennützig: In Kooperation mit den technischen Abteilungen der Bühnen der Stadt sollen hier gebrauchte Baumaterialien, Kulissen und Requisiten eingelagert werden. Sie dienen dem Wiederaufbau des »Zentralwerks der Schönen Künste«, werden aber auch der Freien Szene zugänglich gemacht. »Meine These ist: Alles was in Köln in Kellern verrottet, dient zum Aufbau des Quartiers«, sagt Mark Leßle bewusst überspitzt. Das Lager soll aber auch ein Modellprojekt sein, um zu erproben, wie eine Katalogisierung und Organisationsstruktur für zirkuläres Bauen aussehen kann, bei dem gebrauchte Bauteile aus abgebrochenen Gebäuden für Neubauten oder Sanierungen genutzt werden, um die Bauwirtschaft zumindest ein bisschen nachhaltiger zu machen.
Um die Öffentlichkeit einzuladen, wird ein neues Foyer in einem der Gebäude am Hof eingerichtet, in Verbindung mit dem Hof soll es – vielleicht schon ab Mitte 2025 – ein Begegnungsraum werden für die beteiligten Initiativen und die Nachbarschaft. Performances und Konzerte können hier stattfinden, Gastronomie oder auch Flohmärkte. Dazu wird eine derzeit noch mit einem kleinen Foyer zugebaute direkte Durchfahrt in den Hof wiederhergestellt – eine Auflage des Brandschutzes. Die Gebäude so zu ertüchtigen, dass sie den Regularien entsprechen und möglichst barrierearm sind, mache einen großen Teil des Planungsaufwandes aus, erklärt Andrea Bachmann, die Architektin, von der die Pläne für das Projekt stammen. Baldmöglichst soll der Umbau eines anderen Gebäudes beantragt werden, das an den Hof angrenzt und zu einer audiovisuellen Kunsthalle werden soll. Ausstellungen auch von internationalen Gastkünstler*innen sind hier geplant. Der hintere Gebäuderiegel soll wie früher wieder für Büros genutzt werden – frühestens ab 2027 – und Künstler*innen, Architekt*innen, Soziolog*innen oder Kaufleuten in enger Zusammenarbeit mit Hochschulen Raum bieten, die Stadt der Zukunft zu erforschen. Fragen könnten dabei sein, wie wir künftig als Gesellschaft zusammenleben oder wie das Otto-Langen-Quartier später aussehen soll.
Einzigartiges Industrieensemble
Am längsten wird es sicher dauern, das Herzstück wiederherzustellen: das denkmalgeschützte Direktionsgebäude, das um 1900 erbaut wurde. Gemeinsam mit dem Verwaltungsgebäude von 1911 bildet es die langgestreckte, flache Backsteinfassade an der Deutz-Mülheimer-Straße. Die dreistöckigen Gebäude korrespondieren mit den ehemaligen Fabrikationsstätten gegenüber und bilden ein auch über Köln hinaus einzigartiges Industrieensemble. »Raum 13« möchte die Innenräume der Vorstandsetagen und der Betriebsratsbüros sowie den Konferenzraum mitsamt der noch vorhandenen Möbel restaurieren und ein historisches öffentliches Bürogebäude einrichten. Um 1990 herum wurden sie zuletzt renoviert, wirken in ihrer gediegenen Holzoptik aber eher wie von 1960. Ab 2027 oder 2028 sollen sich hier Vereine und Initiativen, aber auch Privatpersonen zum Coworking oder für Besprechungen einmieten können.
Die Organisator*innen von »Raum 13« wollen zu all dem jeweils separate Teilanträge für die Förderung der einzelnen Gebäudebestandteile stellen, damit sie auch unabhängig voneinander realisiert werden können. Wie die Räume dann aber letztlich genutzt werden, hängt stark davon ab, was wie genehmigt wird. Die Ungewissheit ist also noch nicht ganz vorbei, der Wille, genau an diesem Ort weiterzuarbeiten, aber ungebrochen: »Ich habe hier diesen Raum gefunden, wo ich Kunst und Kultur machen will«, sagt Mark Leßle, »einen innovativen Ort, den man in die Zukunft tragen kann«.