Einmal im Monat stellt Andreas Wilink Klassiker und Raritäten des Kinos vor. Diesmal die garstige Komödie »Prêt à Porter« von Robert Altman.
Nach Paris der Mode wegen – und der andere Grund spielt auch mit hinein. Was dabei die schönere der schönsten Nebensachen der Welt ist, bleibt offen. Robert Altmans garstige Komödie beginnt wie ein alter James Bond-Film: auf dem Roten Platz in Moskau. Ein Mann – es wird doch nicht etwa unter der Pelzmütze Marcello Mastroianni sein? – schleicht um eine Boutique von Christian Dior und kauft zwei scheußliche Krawatten gleichen Typs. Dass das Pariser Couture-Haus diese charmante Blasphemie erlaubt hat, verwundert ebenso wie manch anderes freche Detail von »Prêt à Porter«, der Sekunden später mit einem wilden Schwenk unterm Eiffelturm landet. Darunter die Szene im exquisiten Restaurant Le Doyen, wo der Rosé-Wein vom Kellner aus Weiß- und Rotwein gepanscht wird und serviert – Monsieur Jean-Paul Gaultier.
Altman, der Anti-Hero Hollywoods, der große unabhängige, systemkritische Autorenfilmer (1925-2006), der mit »MASH«, »Nashville«, »Drei Frauen« oder »Eine Hochzeit« die 70er Jahre entscheidend geprägt hat, nennt seine Realsatire über den Modezirkus der happy few ein »Mocumentary«, montiert aus sich mokieren und dokumentieren. Ein reines Nichts, aufs Angenehmste und Amüsanteste gefüllt, das sich manchmal benimmt wie eine Komödie von Blake Edwards. Für sein filigranes Patchwork verliert der Regisseur nie den Faden, lässt höchstens mal eine Masche fallen.
Die episodischen »Short Cuts« (dies der Titel von Altmans meisterlichem Film vom Jahr zuvor, also 1993) und flinken Szenenwechsel scheinen ebenso beliebig wie der Rummel selbst um die Modenschauen, ihre Macher und Propagandisten, darunter die einflussreichen, untereinander spinnefeindlichen Modejournalistinnen, ihre Lügen und Halbwahrheiten, Manipulationen und Vereinnahmungen. Mit »Mega«, »Super!« und »Go-Go« feiern und herzen sie einander, um sich hinterrücks zu meucheln. Der Chef der mächtigen Design-Chambre Syndicale soll ermordet worden sein, hat sich aber nur zu Tode verschluckt. Das animiert seine lustige Witwe, noch rasantere Hüte zu tragen und ihren früheren Geliebten erotisch neu zu erobern.
Es gibt keine bessere Inszenierung von Mode als deren eigene. Deshalb verbirgt Altman den Biss hinter kussweichen Lippen, mit denen er die Elegante Welt beschwatzt haben muss, ihm Entree zu gewähren. Viele taten es: Sonia Rykiel, Lacroix und Ferré, Gaultier, Miyake, Montana, Mugler, andere wie Lagerfeld machten dicht, wohl wissend, wie leicht sich der professionelle Ernst nach Strich und Faden ins Komische ziehen ließe. Dazu defilieren Stars im Dutzend: Lauren Bacall, Kim Basinger, Harry Belafonte, Cher, Tim Robbins, Julia Roberts und Forest Whitaker. Ja, und dann noch das hohe Paar Sophia Loren & Mastroianni, die ihre einstige Leinwand-Romanze ironisch wiederaufnehmen, bis hin zum Striptease des italienischen Nationalheiligtums und der überraschenden Reaktion des Latin Lover-Denkmals.
Der (Selbst-)Betrug ist das glänzendste Nebenprodukt dieser Scheinwelt, die Kommerz und Kunst unauflösbar vereint. Dass die Grande Dame Simone Lo (Anouk Aimée) am Ende auf dem Laufsteg Evas paradiesische Wahrheit (in Gestalt von Ute Lemper) als ‚dernier cri’ präsentiert, ist ein Märchenschluss wie der von »Des Kaisers neue Kleider«.