»Präzise deutsch. Experimentell niederländisch«, so überschreibt das Architekturbüro Cross seine Arbeit, das Standorte in Aachen, Amsterdam und Köln betreibt. Das Büro im Aachener Süden ist ein 40 Meter langer offener Raum. Alle Mitarbeiter*innen sitzen dort gemeinsam, auch die beiden Chefs Markus Sporer und Cornelius Wens. Der dritte Chef, Marcel Blom, betreut die niederländische Dependance – und schaltet sich per Zoom dazu. Für ein Gespräch über Architektur zwischen Aachen und Amsterdam.
kultur.west: Herr Sporer, was macht das Bauen zwischen Deutschland und den Niederlanden aus?
MARKUS SPORER: In Deutschland werden wir immer als die niederländischen Architekten betrachtet, in Holland als die deutschen. Das, was wir an den Niederländern bewundern – ein bisschen freier zu denken, Dinge auszuprobieren, sich Dinge zu trauen, zu experimentieren, auch mal in temporären Lösungen zu denken – das gehört zu unserer DNA. Gleichzeitig sind wir in der Lage, Projekte in einer sehr hohen Qualität umzusetzen und am Ende zu bauen. Unsere Auftraggeber sollen verstehen, dass wir diese beiden Qualitäten vereinen und nicht nur die eine oder die andere Sicht auf ein Projekt haben.
MARCEL BLOM: In Holland hat der Architekt weniger Verantwortung für das eigentliche Bauen als in Deutschland, denn er ist nicht immer am Endprozess beteiligt. Aber wir machen unsere Projekte, um zu bauen. Da kommt die Qualität der deutschen Architekten in Holland zum Tragen.
kultur.west: Wie äußert sich diese Besonderheit in Ihren Entwürfen, zum Beispiel beim Haus des Wissens in Bochum, das gerade nach Ihren Plänen entsteht und 2027 fertig sein soll?
SPORER: Das Programm dort ist komplex und die Ambition der Stadt hoch. Es soll ein Dritte Ort sein, wo sich die Menschen treffen, wo sie nicht dem Konsum verpflichtet sind, wo sie neue Dinge ausprobieren können, quasi das Wohnzimmer der Stadt. Wir haben bei der Bearbeitung bemerkt, wenn es der Wunsch der Stadt ist, so eine Programmatik zu entwickeln, dann fehlt noch etwas. Was wir hinzugefügt haben, ist der Dachgarten, den gab es im Raumprogramm nicht. Es fehlte ein Freiraum, wenn alles ineinandergreifen soll. Auch als eine Motivation mehr, diesen Ort zu besuchen. Ihn hinzuzufügen war ein Risiko, auch weil es kein Budget dafür gab. Aber wir haben es trotzdem gemacht, weil wir gesagt haben: Wenn ihr es ernst meint, dann muss das noch rein. Und am Ende war die Jury begeistert von der Idee.
kultur.west: Bewundern Sie etwas an der Architektur des jeweils anderen Landes?
SPORER: Als ich studiert habe, Ende der 80er, Anfang der 90er, haben wir immer in die Niederlande geschaut. In jeder Architekturzeitschrift waren Niederländer. Sie waren der Rock ’n‘ Roll, das waren die Idole, da wollte man hin. Wir haben immer bewundernd und auch ein bisschen neidvoll nach Holland geguckt. Dort sind einfach starke Entwürfe, besondere Objekte. Mutige Städte und Bauherren, die sich trauen, Dinge umzusetzen. Das ist bei uns manchmal ein bisschen unterentwickelt.
BLOM: Es ist schon einige Jahre her, aber damals waren Ingenhoven und Bothe, Richter, Teherani deutsche Architekten, von denen man beeinflusst wurde. Auch wegen der Qualität der Entwürfe. Vielleicht gab es in Holland etwas mehr Entwicklung im Künstlerischen, aber bei diesen Architekten haben wir immer die technischen Entwicklungen gesehen.
kultur.west: Was könnte aus dem jeweils anderen Land übernommen werden?
BLOM: Wir beneiden die deutschen Architekten immer um ihr Honorar. Es ist mit der Honorarordnung klar, was der Architekt in Deutschland bekommt. In Holland gibt es keine Verabredung mehr über das Honorar. Die Position des Architekten in Deutschland ist generell besser, als in den Niederlanden. Aber die schlechtere Position macht uns doch vielleicht auch etwas kreativer.
SPORER: Wir wünschen uns in Deutschland schon häufiger mal eine gewisse Vereinfachung. Die deutsche Regulierungswut und der Paragraphendschungel sind ja bekannt. Ich würde mir aber auch mehr Mut wünschen von Auftraggebern und Kommunen, Dinge zuzulassen. Das Bauen ist in Deutschland eine sehr konservative Branche. Alle finden immer diesen Spirit, dieses Frische toll. Aber wenn es dann ums Umsetzen geht, gibt es oft Vorbehalte. Und ich würde mir wünschen, dass wir mehr Mut haben würden, die gesellschaftlichen Herausforderungen etwas konstruktiver und anpackender zu lösen, als immer nur so weit zu gehen, wie wir das gerade müssen. Gerade im Bauen fragt man sich schon, warum Prozesse so unfassbar lange dauern müssen, bis sie sich verändern.