Bis nach Dortmund? »Dahin ist der Kolonialismus sicher nicht gekommen«, sagt Emmanuel Edoror zur neuen Ausstellung auf Zeche Zollern in einem Imagefilm auf dem Videokanal youtube. Und natürlich hat der Schauspieler aus Nigeria, der seit 2004 in Deutschland lebt, damit nicht recht. Denn wie überall im Land ist auch die Ruhrgebietsstadt eng mit der deutschen Kolonialgeschichte verbunden: Menschen aus dem Revier zogen einst nach Afrika. Als Missionare, Farmer oder Soldaten, trieben als Unternehmer und Industrielle die deutsche Kolonialpolitik voran, engagierten sich in Missionsvereinen, besuchten Völkerschauen wie im Fredenbaumpark, spendeten für Denkmäler oder plädierten für Straßen, die bis heute die Namen kolonialer Akteur*innen tragen. Die Kolonialgeschichte wirkt also bis heute fort. Was sie mit jedem von uns zu tun hat, das will die Ausstellung »Das ist kolonial.Westfalens (un)sichtbares Erbe« im Dortmunder LWL-Museum zeigen. Als Teil des Themenjahrs und Förderprojekts »POWR« des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe.
Dabei ist die Ausstellung auf Zollern partizipativ angelegt: In einer Ausstellungswerkstatt hatte das Museum mit Besuchenden und Kooperationspartner*innen Ideen und Inhalte rund um die Spuren und Folgen des Kolonialismus gesammelt. Daraus waren neben Texten auch künstlerische Interventionen, Interviewbeiträge und Medienstationen entstanden. Neben Ausstellungen wie diesen sind in diesem Jahr aber auch viele weitere Formate zu finden: Rund 1,5 Millionen Euro waren durch »POWR« an kulturschaffende Vereine und gemeinnützige Institutionen sowie an Bildungs- und Forschungseinrichtungen geflossen, die das Themenfeld Kolonialismus bespielen, heißt es in einer Mitteilung des LWL. Geplant sind nun Performances, Theater, Musicals, Podcasts, Veranstaltungsreihen und
Forschungsvorhaben an mehr als 30 Orten in Westfalen-Lippe. Dabei soll es nicht allein um einen Abriss der Kolonialgeschichte gehen, sondern auch um das heutige und künftige Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft.
Natürlich ist es kein Zufall, dass der Name »POWR« auf den englischen Begriff für Macht – Power – anspielt. Er sei ein »Fast-Akronym« zum Post-kolonialen Westfalen-Lippe, heißt es auf Anfrage beim LWL. »POWR« symbolisiere zudem Kraft und Aktion – schließlich gebe der Blick in die deutsche Geschichte auch Impulse für unsere Gegenwart und Zukunft. Fest steht, dass der Förderschwerpunkt der LWL-Kulturstiftung in diesem Jahr 22 Projekte ermöglicht. Etwa die Ausstellung »Preußen auf See« im LWL-Preußenmuseum Minden, die bis Anfang 2025 hinterfragen will, wer genau sich da aus Preußen übers Meer in die Welt aufmachte, welche Einflüsse die Seefahrer mitbrachten und wir ihr Einfluss auf die Kolonialpolitik aussah. Spaten, speziell für Abnehmer in Afrika? Die wurden einst tatsächlich produziert, wie bis 31. Oktober die Ausstellung »Macheten, Tabak, Edelsteine« im LWL-Freilichtmuseum Hagen zeigen will. Ein weiteres Projekt ist »how to decolonize heimat« von GrünBau in Dortmund: In und um den »Heimathafen Nordstadt« soll es bei Mitmachaktionen um Migrationsgeschichten, Kaffeekonsum und Erinnerungskultur gehen – passenderweise in einem
ehemaligen Kolonialwarenhandel. Das Projekt »Folklore, die es nicht gab!« des »Labors für sensorische Annehmlichkeiten« aus Dortmund will in Performances die (post)kolonialen Bezüge von Stoffen, Handelsstrukturen und Migrationsgeschichten untersuchen. Und das Physical Theatre Netzwerk aus Essen mit dem Bochumer Performancekollektiv notsopretty zeigen, das auch unser heutiges Essen einiges mit der Vergangenheit verbindet. Sie wollen sich mit der Geschichte der Kartoffel beschäftigen – in einem »Gemusical«.