30 Veranstaltungen, 18 Uraufführungen, zwölf Spielstätten – das Festival »Acht Brücken« macht die Domstadt im Mai zur Drehscheibe Neuer Musik. Als »Porträtkomponist« steht Enno Poppe im Rampenlicht.
»Feine Unterschiede«, so lautet in diesem Jahr das nuancenreiche Motto des Festivals, das seit 2011 existiert. Immer im Mai wird die Kölner Philharmonie zum Ausgangspunkt einer musikalischen Allianz, die Neue Musik, Weltmusik, Jazz und sogar Pop umspannt. Den Radius anspruchsvoller zeitgenössischer Kunst zu erweitern, das steht im Zentrum des Konzepts, das mit mehreren Spielstätten in den urbanen Raum ausgreift. Erstmals dabei sind St. Maria im Kapitol, St. Ursula und die Wolkenburg. In Form von Performances, Ausstellungen und Filmen vollzieht das Festival überdies den Brückenschlag zu anderen künstlerischen Disziplinen.
Ein Bewusstsein für die »feinen tonalen Unterschiede« wecken will bei der 14. Ausgabe Louwrens Langevoort, Festivalchef und Intendant der Kölner Philharmonie. Unwillkürlich neigten wir dazu, die westeuropäisch geprägte Musiktradition mit der Etablierung der temperierten Stimmung und der Einteilung der Oktave in zwölf Halbtonschritte zu sehr in den Vordergrund zu rücken, womöglich gar zu verabsolutieren. Dabei gerate in Vergessenheit, dass unterschiedliche musikalischen Kulturen ganz verschiedene Tonsysteme entwickelt hätten.
Musikalischer Grenzgänger
»Acht Brücken« lädt ein zur akustischen Horizonterweiterung und feiert mit Enno Poppe einen virtuosen musikalischen Grenzgänger. Der Komponist und Dirigent, geboren 1969 im sauerländischen Hemer, zählt zu den herausragenden jüngeren Vertretern Neuer Musik – und allemal zu den originellsten. »Ich will etwas erleben, wenn ich Musik höre«, hat Poppe gesagt. Definitiv ein Erlebnis sind seine eigenen Konzerte. Kein Wunder, dass Enno Poppe Stammgast ist sowohl bei den Neue-Musik-Festivals in Donaueschingen und den Wittener Tagen für Neue Kammermusik als auch bei den Salzburger Festspielen.
Immerhin zehn Werke des »Porträtkomponisten« erklingen während des Festivalzeitraums in Köln. François-Xavier Paul Roth, Generalmusikdirektor der Stadt Köln und als Dirigent von Poppe hochgeschätzt, steht am Pult, wenn »Strom«, das neue Werk des Komponisten, am 12. Mai seine Premiere erlebt. Ein Stück, das der Meister der Mikrotonalität mit unzähligen kleinen Tonschritten strukturiert hat. Poppe: »Das ist für das Orchester eine unheimliche Herausforderung, sie werden vollkommen neue Akkorde spielen«. Das zweite neue Werk von Enno Poppe kommt am Abschlusstag zur Aufführung: Dann interpretiert das Ensemble Recherche »Laub« für Septett, ein filigranes Stück, das sich verästelt und porentief ins Gehör geht.
Beim offiziellen Eröffnungskonzert des Festivals, das am 5. Mai in der Kölner Philharmonie über die Bühne geht, präsentiert das Ensemble Musikfabrik Enno Poppes Werk »Prozession«. Geschrieben hat er es 2020, während des Corona-Lockdowns, für das Kölner Ensemble. Damals war die Uraufführung nur per Stream möglich; unter realen Bedingungen findet die einstündige Sound-Prozession erst jetzt statt.
Das Festival startet mit dem »Acht Brücken Freihafen«, einem Tag mit »Musik von heute« in der Kölner Philharmonie und im WDR Funkhaus am Wallrafplatz. Der Eintritt ist frei. Weitere Highlights: die »Composer‘s Kitchen« des in Montreal beheimateten Streichquartetts Quatuor Bozzini (7.5.), ein Auftritt des Trio Abstrakt (»The Fall«) sowie traditionelle Musik aus Bangalore, dargebracht vom Trio Swaralayaamaaya (10.5.). Dass sich »Acht Brücken« auch im aktuellen politischen Diskurs positioniert, unterstreicht eine installative Konzertperformance, die am 8. Mai in St. Ursula stattfindet: Gerhard Haugg und Ludger Schneider präsentieren mit »f-d-g-(D)o (Freiheitlich-demokratische Grundordnung)« eine Hommage an die Demokratie.
Acht Brücken | Musik für Köln, 4. bis 12. Mai