Dass das neue Düsseldorfer Museum Schumann-Haus heißt und nicht Robert-Schumann-Haus, wie etwa in seiner Geburtsstadt Zwickau, ist vielleicht ein kleines Detail – aber ein wichtiges. Im Haus an der Bilker Straße, das das Paar von 1850 bis 1854 mit seinen Kindern bewohnte, sollen schließlich beide Schumanns gewürdigt werden: Robert, einer der berühmtesten Komponisten der Romantik, und Clara, eine der großen Konzertpianistinnen ihrer Zeit und ebenfalls Komponistin.
»Das Gebäude ist das Exponat Nummer eins«, sagt der stellvertretende Direktor des Heinrich-Heine-Instituts und damit des bei ihm angesiedelten Schumann-Hauses, Jan von Holtum, bei einem Rundgang. Das zeigt den Stolz darüber, was hier in vier Jahren an denkmalgerechter Sanierung geleistet wurde, stellt aber auch das Licht der wirklich großartig kurzweiligen und interaktiven Ausstellung ein wenig unter den Scheffel.
7,7 Millionen Euro haben Umbauarbeiten und Einrichtung des Museums gekostet. Eine ganz und gar erstaunliche Summe von einer knappen Million hat der Förderverein Schumann-Haus bei den Düsseldorfer*innen dafür eingeworben. Nachdem seine Fertigstellung mehrmals verschoben wurde, konnte es im Dezember 2023 endlich eröffnen. Was mit dem Geld und der Zeit allein für die Herrichtung der Räume getan werden musste, kann man bei einem 3D-Rundgang auf dem großen Tisch-Display im Ankunftsraum erahnen. Dort ist der Zustand vor der Sanierung zu sehen: Bis 2016 wurde das Haus normal bewohnt und hatte am Ende abgetretene Bodendielen und Wände mit vielen Farbschichten, herabfallendem Stuck, abgenutzten Türen und blätternden Fensterrahmen.
Mit restauratorischer Finesse hat man den original Stuck und die Originalfarbe der Bodendielen wieder hergestellt. Außerdem wurde durch einen Anbau samt Aufzug Barrierefreiheit gewährleistet. In diesem Anbau befindet sich auch der Ankunftsraum, der schon ein interessantes Museum für sich ist und das Warten mehr als versüßt, falls die Schumannsche Wohnung einmal zu voll sein sollte. Hier finden sich fünf Zeitlinien, die die Lebensdaten Robert und Clara Schumanns mit weltgeschichtlichen und Düsseldorfer Ereignissen und Kuriosem verbinden. Kurios ist zum Beispiel der erste Satz, der am 26. Oktober 1861 über das neu erfundene Telefon übertragen wurde: »Das Pferd frisst keinen Gurkensalat.«
1861 allerdings war Robert schon nicht mehr am Leben. Er starb 1856 nur 46-jährig in einer Nervenheilanstalt bei Bonn. Sein stärker werdendes psychisches Leiden wurde in seiner Düsseldorfer Zeit schon evident und erreichte einen tragischen Höhepunkt mit einem Selbstmordversuch: Am 27. Februar 1854 warf er von einer Pontonbrücke über den Rhein bei Oberkassel erst seinen Ehering ins Wasser und sprang dann selbst hinein – konnte allerdings gerettet werden.
Hat man vom Ankunftsraum die Schumann-Wohnung betreten, ahnt man, dass die Beziehung zwischen dem Komponisten und Düsseldorf, wohin er als Musikdirektor berufen wurde, schnell eine konfliktbelastete war. Die Kurator*innen um die Direktorin des Heinrich-Heine-Instituts Sabine Brenner-Wilczek haben vor diesem Hintergrund in einer kleinen Kammer der Wohnung eine »Gerüchteküche« eingerichtet, die man auch »Lästerkammer« nennen könnte. In einer Soundinstallation sind hier überlieferte Kommentare von Menschen aus der Stadt zu hören: »Er erschien so zerstreut!« oder »Seine Dirigierweise ist eine Menschenquälerei!« Da solche Empfindungen meistens auf Gegenseitigkeit beruhen, sind allerdings auch Urteile der Schumanns über die Stadt am Rhein und der Rheinländer bekannt, mit deren froher und lustiger Lebensart sie – von Leipzig kommend – fremdelten.
Neben solchen Kuriositäten werden im neuen Museum allerdings auch 100 hochkarätige Exponate präsentiert – aus einer Sammlung, die über 1000 Objekte umfasst. Alle sind Originale aus ihrer Zeit wie etwa handgeschriebene Noten und Briefe der Schumanns. So können Besucher*innen immer wiederkehren und Neues entdecken, denn manchmal werden die Exponate ausgewechselt. Die Objekte stammen aus der renommierten Schumann-Sammlung der Landeshauptstadt und werden oft interaktiv präsentiert.
In Robert Schumanns Arbeitszimmer steht etwa ein Schreibtisch, der seinem Original-Möbelstück nachempfunden ist und sich an allen erdenklichen Stellen öffnen lässt. Alle Schranktüren und Schubladen kann man aufschieben oder -klappen – und sogar Buchausgaben aus dem 19. Jahrhundert, die der Komponist gelesen hat. So lernt man auch den Tagesablauf des Komponisten kennen: Er stand früh auf, kümmerte sich um Korrespondenzen und Kompositionen, machte dann ausgiebig Mittagspause, gerne mit einem Spaziergang, und arbeitete dann bis 17 oder 18 Uhr. In einer Schiebetür im multifunktionalen Schreibtisch ist sogar ein Literaturtipp Robert Schumanns zu entdecken: In einem Brief berichtet er, wie ihn die Entdeckung des dichterischen Schaffens der heute fast vergessenen Elisabeth Kuhlmann seit Wochen nicht loslässt. In seiner Düsseldorfer Zeit komponiert er die »Sieben Lieder« nach Gedichten von ihr.
Überhaupt hat Robert Schumann in seiner Zeit als umstrittener Musikdirektor am Rhein offenbar in jeder freien Sekunde komponiert. »Ein Drittel seines Werks hat er in Düsseldorf geschrieben«, sagt der stellvertretende Museumsdirektor Jan von Holtum. Auch dieses Werk lässt sich im neuen Haus erkunden – und zwar nach dem Motto: Keine Note ohne ihren Klang. Wenn Handschriften etwa des berühmten Klavierkonzert in a-moll oder seiner 3. Symphonie (der »Rheinischen«) ausgestellt sind, hängt immer ein Kopfhörer daneben oder das passende Klangbeispiel ertönt gleich aus im Raum angebrachten Lautsprechern.
Lust aufs Entdecken
Auf diese Weise lässt sich in einem ganz Clara Schumann und ihrem Wirken gewidmeten Raum auch ihre Romanze in Des-Dur für Klavier und Violine erkunden. Für Menschen, die tiefer in die Interpretationsgeschichte einsteigen wollen, gibt es auf einer Chaiselongue die Möglichkeit, mit einem Tablet und Kopfhörern drei unterschiedliche künstlerische Interpretationen einer Violinsonate Robert Schumanns miteinander zu vergleichen: Die Herangehensweisen, die die Kuratoren mit »ausbalanciert«, »warm« und »ausdrucksstark« überschrieben haben, könnten unterschiedlicher nicht sein und zeigen, wie stark der individuelle Ausdruck der Spielenden in klassisch-romantischen Werken sein kann.
Vielleicht gerade weil das Museumskonzept keine Ausblicke aus der Wohnung zulässt und das Licht eher gedämpft ist, fühlt man sich im neuen Schumann-Haus irgendwann ganz heimelig, möchte gar nicht mehr gehen, sondern immer weiter entdecken. In einer tollen Rauminstallation lässt sich etwa in verschiedenen Büchern blättern, die das Beziehungsgeflecht der Schumanns aus ihrer Sicht oder der Perspektive von Künstlerfreunden wie Johannes Brahms oder Joseph Joachim beleuchten. Je nachdem, bei welchem Charakter im Buch man gerade angelangt ist, wird dessen Portrait an die Wand projiziert.
Doch irgendwann muss man ja doch Abschied nehmen und verlässt das Museum durch den letzten Raum, der wieder Clara gewidmet ist. Nach der Einlieferung ihres Mannes in die Nervenheilanstalt blieb sie noch eine Zeit alleine mit den Kindern in der Wohnung. Hier finden sich ihr Witwenschleier, das berühmte Lenbach-Portrait der gealterten Pianistin und auch ihr Testament. Trotz Trauergefühlen fasst man den Entschluss, dass dies sicher nicht der letzte Besuch gewesen ist.