… sind Kritik und Zärtlichkeit in der Literatur der Arbeitswelt. Zwei Themen, die seit jeher dieses Genre charakterisieren. Denn schon lange geht es Autorinnen und Autoren in ihren Arbeiten um Kritik an herrschenden Verhältnissen, um Kritik an einer Arbeitswelt, die sich wenig für das Subjekt, wenig für die Menschen interessiert. Andererseits gibt es eine große Zärtlichkeit gegenüber den Figuren in dieser Literatur, gegenüber der sozialen Frage der Arbeit, wie sich die Menschen in der Gesellschaft bewegen. Und das schon seit dem 16. Jahrhundert: Das Fritz-Hüser-Institut versammelt Literatur aus dieser frühen Zeit bis heute – insgesamt sind es inzwischen 40.000 Bände.
Sie zeigen, dass Literatur eigentlich immer aus einer sozialen oder politischen Motivation heraus entsteht. Aus einem solidarischen, mitfühlenden, »zärtlichen« Blick heraus, den es vor allem seit dem 19. oder beginnenden 20. Jahrhundert gibt, als sich die Arbeiterbewegung herausbildete. Aber auch durch einen kritischen Blick auf die Gesellschaft – und auf die Figuren. Die Akteure und Akteurinnen sind nicht ungebrochen positiv. Es gibt nicht unbedingt nur Heldinnen und Helden, selbst in der Literatur der Arbeiterbewegung nicht rein positive Figuren, an denen alles Negative abprallt. Wenn Literatur Anfang des 21. Jahrhunderts Figuren zeichnet, die Spielbälle der Arbeitsverhältnisse sind, dann wird in den Texten danach gefragt, welche Rolle dem Individuum zukommt, wie diese Verhältnisse aufrecht zu erhalten oder zu verändern sind. Kritik ist aber auch eine kollektive Angelegenheit – und zu dieser gehört ja auch schon die Literatur.
Gegründet wurde unser Institut übrigens von Fritz Hüser, der die Dortmunder Stadtbücherei geleitet und die Gruppe 61 mitgegründet hat. 1973 übergab er seine Sammlung der Stadt. Heute werden wir international oder bundesweit auch wirklich als Institut wahrgenommen, aber im Ruhrgebiet oft auf die Archiv-Arbeit reduziert. Dabei arbeiten wir wissenschaftlich, haben eine Bibliothek, sind tätig in der Literaturvermittlung und -förderung. Was ich mir für die Zukunft wünschen würde ist, dass das Institut in seiner Gänze gesehen wird, dass man den Begriff »Literatur der Arbeitswelt« ernst nimmt und reflektiert. Ich wünsche mir einen offeneren und aufmerksameren Blick dafür, wo in Kunst und Literatur die Sphäre der Arbeit vorkommt und was darin mit ihr geschieht. Denn den Künsten ist zu eigen, dass sie nicht der Wahrheit verpflichtet sind, dass sie zwar Charakteristika der Arbeitswelt hervorheben, ihnen kritisch gegenüber stehen, aber auch Alternativen entwerfen können – und Utopien.
Aufgezeichnet von Max Florian Kühlem
Name: Iuditha Balint
Alter: 47 Jahre
Beruf: Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, seit 2018 Direktorin des Fritz-Hüser-
Instituts für Literatur und Kultur der Arbeitswelt
Wohnort: Dortmund
Was denken Schriftsteller*innen über das Thema Arbeit? Wie gehen sie mit ihm um – früher, heute und in Zukunft? Darüber wird im Dortmunder Fritz-Hüser-Institut seit 50 Jahren nachgedacht und geforscht. An einem Ort, der selbst für die Industriegeschichte im Revier steht – auf dem Gelände des LWL-Museums Zeche Zollern in Bövinghausen.