Mit dem Festival »Move! – Krefelder Tage für modernen Tanz« hat sich die Stadt am Niederrhein seit 1994 ein Renommée als Ort für zeitgenössischen Tanz geschaffen. Neben dem Herbstevent gibt es auch eine jüngere Sommer-Edition: »Move! in Town«. Zum zehnten Jubiläum des Open-Air-Formats kreiert die Velberter Company Yibu Dance die Uraufführung »Gezeiten« für den sanierten Von-der-Leyen-Platz vor dem Rathaus. Denn die Auftragsproduktion des Kulturbüros ist auch Teil der Veranstaltungsreihe zur 650-Jahr-Feier der Stadt. Wir sprachen mit den Gründer*innen des Ensembles Chun Zhang und Kai Strathmann.
kultur.west: Ihre Company Yibu Dance ist sehr jung – Sie haben sie erst 2019 gegründet. Was bedeutet der Name und warum haben Sie ihn gewählt?
ZHANG: »Yibu« bedeutet im Chinesischen »Schritt«, und die Redewendung »Yibu, Yibu« meint »Schritt für Schritt«. Sie spiegelt unsere Ethik und Arbeitsästhetik.
kultur.west: Was heißt das konkret?
ZHANG: Wir sind sehr harte Arbeiter (lacht). Wir setzen uns gerne intensiv mit einem Thema auseinander und suchen nie den einfachen, direkten Weg. Mit Ästhetik meine ich, dass Choreografie und Komposition unsere Passion sind. Wir vermissen momentan das Schrittemachen auf der Bühne im zeitgenössischen Tanz.
kultur.west: Sie meinen in Tanzproduktionen wird heute zu wenig getanzt?
ZHANG: Wir haben nichts dagegen, dass viele Ensembles auch mit anderen Elementen und Effekten arbeiten. Aber wir interessieren uns vor allem für Bewegungsqualität.
kultur.west: Nachdem Sie in Krefeld mehrfach mit Produktionen aufgefallen sind – zuletzt mit dem sinnlichen Stück »Whirling Ladder Upright« – hat das Kulturbüro der Stadt Sie mit der Jubiläumsproduktion für »Move! in Town« auf dem Rathausvorplatz beauftragt. Was löst dieser Ort in Ihnen aus?
ZHANG: Es war ein längerer Prozess. Kai wollte ein Stück machen über unterschiedliche Geschwindigkeiten. Jede(r) unserer acht Tänzer*innen steht, bildlich gesprochen, für einen Lautstärkeregler, den man rauf- und runterfahren kann. Wir haben lange nach einem passenden Ort für ein solches Stück gesucht. Die Torbögen vor dem Krefelder Rathaus fanden wir künstlerisch-visuell großartig und hatten die Idee, die Tänzer*innen durch diese Bögen heraustreten zu lassen. Gleichzeitig passt dieser städtebaulich markante Ort auch sehr gut zu dem 650-jährigen Stadtjubiläum.
kultur.west: Worum geht es Ihnen in »Gezeiten«?
ZHANG: Es geht darum, wie unterschiedliche Menschen sich in verschiedenen Bewegungsqualitäten, -intensitäten und Geschwindigkeiten vorwärtsbewegen – wie menschliche Gezeiten. Die Choreografie geht auch in die Weite und nimmt den ganzen Platz ein.
STRATHMANN: Der Rhythmus hat etwas von Gezeiten, wenn das Wasser kommt und geht. Musik als erklingendes Element gibt es nicht. Aber die Choreografie ist so rhythmisch angelegt, dass man Ebbe und Flut darin ausmachen könnte.
kultur.west: Wie kamen Sie auf die Idee, sich dem Thema »Gehen/Zeit« künstlerisch zuzuwenden?
STRATHMANN: Bei dem historischen Krefelder Stadtjubiläum geht es ebenso um Zeit wie bei der Wahrnehmung von Bewegung in dieser Produktion.
ZHANG: So ist der Titel auch ein Wortspiel.
kultur.west: Und das Wort »gehen« klingt ja auch an. Inwiefern ist das Publikum an dem Stück beteiligt?
STRATHMANN: Wir laden es nicht förmlich ein, aber es gibt auch keine Trennungslinien. Wir gehen davon aus, dass die Zuschauer durch die Anordnung der Gruppe spüren, dass sie an der Aufführung teilhaben können, und genauso, wann sie in den fließenden Prozess eintreten oder ihn wieder verlassen können.
11. und 18. August
Krefeld, vor dem Rathaus
Der Eintritt ist frei