Köln Zollstock. Daniel Gourski wartet vor einem Baumarkt. Die Sonne scheint, Einkaufswagen rumpeln, Autos schleichen vorbei. Wie klingt eigentlich ein Parkplatz? Ausgerüstet mit Kopfhörer und Mikrofon macht sich Gourski auf die Suche nach den kleinen Geräuschen, Klängen der Stadt. Der Kölner ist Komponist, Multimediakünstler, Produzent und DJ. Für seine Tracks nimmt er die Umwelt auf und verwandelt sie in Musik. Da wird ein Container im Hafen zur Bassdrum, ein Gulli-Deckel zur Hi-Hat und eine vorüberfahrende Straßenbahn zur Melodie. »Am Anfang steht bei mir immer die Suche nach Gegenständen, die einen Beat erzeugen könnten«, erzählt er. Was könnte die Kicks sein, was die Snare, was die Hi-Hat? »Wenn ich dann einen Beat zusammen habe, suche ich nach Melodien oder sonstigen Sounds, die in den Track passen könnten.« Zusammen mit seinen Stücken veröffentlicht er auch Videos, die die Entstehung und synchron die klingenden Alltagsgegenstände zeigen. »Mit der visuellen Ebene verknüpfen sich diese Elemente zu einem Ganzen. Hätte man diese Videos nicht, würde man wahrscheinlich gar nicht merken, dass all die Sounds aus unserer Umwelt stammen.«
In einem Gewerbegebiet bleibt Gourski vor einem verlassenen Zugtunnel am Rande der Straße stehen. Ein »Lost Place«, voll von Graffiti-Dosen und leeren Bierflaschen. Ein verlassener Ort, prädestiniert für Underground-Partys. Für Daniel Gourski hängt beides unmittelbar zusammen: Club-Kultur und Alltagsgeschehen. Wenn er nicht gerade mit dem Mikrofon durch die Stadt zieht, produziert er Tracks im heimischen Studio oder legt überall auf der Welt und als Resident-DJ regelmäßig im Bootshaus in Köln auf, das 2022 immerhin zum fünftbesten Club der Welt gekürt wurde.
Wie wird aus den Klängen ein Song?
Als Jugendlicher entdeckte er elektronische Musik für sich, begann selbst aufzulegen und schließlich Musik zu produzieren. Zunächst kaufte er sich einen kleinen Handrekorder, um seine Sets aufzunehmen, merkte aber schnell, dass man noch so viel mehr damit anfangen kann: »Dann habe ich den Rekorder immer mal wieder mitgenommen und Dinge aufgenommen, im Studio bearbeitet und diese Sounds in meine Songs eingebaut.« Der verlassene Tunnel ist zwar schön anzusehen, klingen tut er aber nicht so gut. Zu wenig Hall, zu wenige Dinge, die spannende Geräusche machen. Also geht es weiter. Wie wird aus den einzelnen Klängen eigentlich ein Song? »Das ist tatsächlich immer unterschiedlich. Da kommt es viel aufs Ausprobieren und Mischen an. Wichtig ist erstmal, einen Anfang zu haben, denn es kann auch mal passieren, dass man viel zu viele Sounds hat und gar nicht weiß, wo man beginnen soll.« Der erste Song, den Gourski mit analogen Samples und Video veröffentlichte, entstand daheim. Neben seinem Schreibtisch stand ein kleiner Kaktus und er begann, die Stacheln wie ein Instrument zu spielen. »Der Kaktus hat tatsächlich so harmonisch geklungen, inzwischen ist er aber gewachsen und klingt nun ganz anders.« Ein Kaktus spielt die Melodie eines Drum’N’Bass-Tracks, und das gar nicht mal so schlecht.
Im Jahr 2020, es gelten Kontaktverbote, Veranstaltungen sind verboten und die Clubs müssen aufgrund der Corona-Pandemie schließen, hat Gourski eine Idee: Er fragt sich, wie eigentlich ein leerer Club klingt. Und entwickelt »The Sound of Bootshaus«, ein Statement zur Lage der stillen Clublandschaft. Ein Song aus 50 Tonspuren von Eismaschinen, Kühlschränken und CO2-Kanonen.
Immer wieder reist er heute nicht nur für DJ-Gigs, sondern auch für Aufnahmen in andere Städte. »Jede hat auch ihren eigenen Klang. In Amsterdam haben wir viel mit Fahrrädern gemacht und waren an den typischen Orten. In Köln, meiner Heimatstadt, gibt es wieder ganz andere Klänge zu entdecken.«
Auf der Hauptstraße in Zollstock fährt eine Straßenbahn vorbei, eine Kehrmaschine kreuzt den Weg. Bis aus den einzelnen Aufnahmen ganze Songs werden, können Monate vergehen. Manche von ihnen werden verändert, gepitcht und angepasst, manche Tracks versucht Gourski so natürlich wie möglich zu gestalten. »Es geht mir auch darum, dass die Leute den Klang zusammen mit dem Video auch wiedererkennen und merken, welche Klänge es überall gibt.« Die Musik ist überall – man muss sie nur finden.