»Mirrors«, also »Spiegel« heißt dieses außergewöhnliche, welteinzigartige Programm von Igor Levit und Fred Hersch, das beim Klavier-Festival Ruhr im Musikforum Bochum zum ersten Mal zu erleben war. Die beiden Pianisten, die jeder für sich zu den Größten ihres Genres gehören, sitzen sich also gegenüber an zwei großen Steinway-Flügeln und sind sich gegenseitig ein Spiegel. Auf der einen Seite sitzt die Welt des klassisch-romantischen Repertoires, auf der anderen die des Jazz.
Igor Levit hat Fred Hersch bei dessen Konzerten im New Yorker Village Vanguard kennengelernt, dem Jazzclub im New Yorker Greenwich Village, in dem schon in den 1960er-Jahren legendäre Aufnahmen von Bill Evans oder John Coltrane entstanden sind. Hersch hat mit seinem Album »Alone at the Vanguard« vor zwölf Jahren eine weitere hinzugefügt und Igor Levit kam irgendwann zu ihm als Fan-Boy, gestand ihm, wie hingerissen er von seiner Art des Spiels sei. Auch in seiner ersten Zwischenansage in Bochum macht der 36-Jährige keinen Hehl aus seiner Begeisterung: »Wie soll man das noch steigern?«, fragt er, nachdem Hersch mit einer ausgedehnten Improvisation auf eine Schumann-Szene reagiert hat.
Das Konzept des Abends funktioniert genau so: Levit spielt eine klassische Komposition, am Anfang steht Robert Schumanns »Träumerei«, und Fred Hersch reagiert mit einem Jazz-Standard, einer Eigenkomposition oder einer Improvisation. Erstaunlich ist dabei, wie gut die Sprache der Klassik und die des Jazz ineinanderfließen. Fast bruchlos setzt Fred Hersch oft an und fast unmerklich schleicht er Blue Notes oder synkopische Rhythmusgestaltung als jazztypisches Spiel ein. Wohl bemerkbar macht sich sein grundlegend anderer Anschlag: Bei Igor Levit klingt der Flügel weich und geschmeidig, die Töne fließen oft im schönsten Legato ineinander. Bei Fred Hersch klingt das Instrument gleicher Bauart kantiger und härter, vielleicht auch unbändiger, ausgelassener.
Toll ist, wie Fred Hersch Chopin mit Antonio Carlos Jobim spiegelt und damit kurz die Welt der lateinamerikanischen Rhythmen einlädt. Und bei der Zugabe lernt das Publikum, wie schwierig es für die beiden musizierenden Freunde dann doch ist, ihre unterschiedlichen Sprachen einmal zu einem gemeinsamen Spiel zu vereinen: Sie geben Bill Evans‘ »Peace Piece« als Zugabe. Das ist zwar wunderschön, aber auch ein sehr kleiner gemeinsamer Nenner: Hersch spielt hier bloß eine sich immer wiederholende, kontinuierliche Bassfigur, über die Igor Levit kleine Melodie-Fragmente mit der rechten Hand streut. Das Publikum ist trotzdem außer sich und spendet Standing Ovations für dieses einzigartige Erlebnis.