Am Pfingstwochenende kommen beim Moers Festival wieder Musiker*innen aus aller Welt zusammen, um Grenzen zu verschieben und Horizonte zu erweitern.
Ende 2022 erreichte Tim Isfort eine gute Nachricht: Die Festivalleitung erfuhr, dass die Anschlussförderung vom Bund für das Moers Festival gesichert sei – für weitere fünf Jahre. Denn ja, Kultur kostet. Seit Jahrzehnten schon ermöglicht das Festival am Niederrhein mit vergünstigten Tickets allen den Zugang zu Musik.
Seitdem ist Aufbruchstimmung: Nicht nur musikalisch, sondern auch spirituell wollen die Komponistin und Performerin Eddy Kwon mit dem Kollektiv Sun Han Guild in neue Gefilde aufbrechen: Geplant haben sie eine »rituelle und immersive Klangperformance«. Mit dem Ziel, das Publikum in Trance zu versetzen. Unser Blick auf Afrika ist immer noch von der Kolonialzeit geprägt, das macht sich auch an unserem musikalischen Horizont bemerkbar. Das Moers Festival steuert dagegen, indem es nun jedes Jahr einen musikalischen Schwerpunkt auf ein anderes afrikanisches Land legen will. Los geht es mit Äquatorialguinea, einem der kleinsten Staaten Afrikas, der zudem auch noch das einzige spanisch-sprachige Land des afrikanischen Kontinents ist. Nélida Karr, Gitarristin und Sängerin, vereint in ihrer Musik Tradition und Neuanfang. Irgendwo zwischen spanischer Gitarrenmusik, afrikanischen Wurzeln und amerikanischen Blues-Anleihen, verbindet ihre Musik Tradition und Moderne, Afrika und Europa.
Würdigung alter Helden
In diesem Jahr wäre der österreichisch-ungarische Komponist György Ligeti 100 Jahre alt geworden, der als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt. Seine Musik wurde in Filmen wie »2001. Odyssee im Weltraum«, »Shining« oder »Eyes Wide Shut« verwendet, seine Klangflächen-Kompositionen wie »Atmosphères« oder »Apparitions« loten die Grenzen zwischen Klangfläche und Raumzeit neu aus. Anlässlich seines Geburtstages hat das Moers Festival eine Komposition in Auftrag gegeben, die Kylwiria heißt. Und ein von Ligeti erfundenes, utopisches Land bezeichnet, auf das Nate Wooley, Lucia Kilger, Vassos Nicolaou, Theresia Philipp, André O. Möller und Carolin Pook gemeinsam eine Hommage geschrieben haben, die während des Festivals uraufgeführt wird.
Nicht nur neue Wege zu erkunden, auch alte Helden zu würdigen, ist ein Anliegen des Festivals. In diesem Jahr sind unter anderem vier Weggefährt*innen des Ur-Jazzers Miles Davis zu Gast. Kenny Garrett, Billy Hart, Gary Bartz und Marilyn Mazur sind nicht nur einzigartige Musiker*innen, ihr Entdeckergeist treibt sie bis heute an. Außerdem feiert nicht nur Ligeti einen runden Geburtstag. Schlagzeuger Günter »Baby« Sommer, ein Wegbereiter des Free-Jazz in Europa, wird 80 Jahre alt. Gemeinsam mit »Baby Sommers Brother & Sisterhood« wird das Moers-Urgestein auf die Trommeln hauen, als wäre er noch immer Anfang 20.
Befreiung – dafür steht das Moers Festival mit seiner musikalischen Auswahl wohl seit jeher. Diesmal beweisen das auch wieder einige der eingeladenen Künstler*innen: Das iranische Tember Ensemble beschäftigt sich in seiner Musik mit der aktuellen politischen Situation im Iran, die zwischen traditioneller Musikkultur und elektroakustischer Klangkunst steht. Margaret Chardiet, besser bekannt als Pharmakon, wuchs in New York City auf und beschloss früh, ihr Leben der Kunst zu widmen. Seit nunmehr 17 Jahren kloppt sie im Sinne der Kunst auf elektronisch verstärktem Blech herum und schreit sich die Seele aus dem Leib. Ihre Performances sind meist nur eine halbe Stunde lang, dafür umso lauter und befreiender.
Moers Festival
26. bis 29. Mai