Ein paar Schritte nur entfernt vom Museum für Angewandte Kunst schließt sie ihr Fahrrad an. Nur noch selten ziehe es sie hierher in die Stadt, bemerkt Ellen Bornkessel beim Ankommen. Für unser Treffen hat die Künstlerin aber trotzdem das Domforum vorgeschlagen. Vielleicht, weil man von hieraus einen perfekten Blick hat auf die Stelle, wo alles begann. 2018 installierte sie eine 100 Meter lange Fotowand wie einen Bauzaun vor dem Kölner Dom: Auf den Planen nichts als Blätter, Stämme, grünes Dickicht. In den zwei Ausstellungswochen spazierten rund 140.000 Menschen am Wald vor dem Dom vorbei. Ein echtes Großereignis – und der Beginn von Bornkessels »Embassy of Trees«.
Der Wald war schon zuvor ein Dreh- und Angelpunkt für sie. Als magischer Ort, als Ort des Rückzugs – und als Motiv. Wenn sie bei ihren Streifzügen eine bestimmte Stelle besonders anspricht, kehrt sie dorthin zurück und nimmt die Kamera mit. »Bäume im Winter« hat Bornkessel fotografiert, »Bäume im Sommer« und diverse Wälder für ihre umfassende Serie »Forest«. Ein Favorit: Der »Heiligenbronner Wald«, den ein Privatmann erworben hat und bewusst verwildern ließ. Grinsend erzählt sie von ihrer abenteuerlichen Begegnung mit einer Horde freilaufender Wildschweine dort.
Mit ihren Bildern wollte Bornkessel bald hinaus aus Rahmen und geschützten Räumen. Der Anlass für den Schritt in die Stadt sei ein Erlebnis unweit der eigenen Haustür gewesen. Eine Smogwolke, in die Bornkessel beim Waldspaziergang geraten war und die ihr den Atem geraubt hatte. »Die hören nie damit auf«, so ihr erster resignierter Gedanke. Und kurz darauf der Entschluss, selbst aktiv zu werden – »denn als Künstlerin kann ich Menschen berühren«. Zum Beispiel mit schönen, großen, leuchtenden, lebendigen Bildern von Bäumen dort, wo kaum Platz mehr für Grün bleibt. »Mich interessieren Parallelwelten«, sagt sie, »die neben der gewinnorientierten durchkomponierten Gesellschaft existieren und die ihren eigenen Zauber, ihre eigene Kraft entfalten«.
Wildnis an der U-Bahn-Haltestelle
Bornkessel gründete ihre »Embassy of Trees«, eine Botschaft der Bäume, was die 53-Jährige durchaus auch politisch meint. Die Natur sei kein Ding, über das wir verfügen können. »Ich möchte ihr eine eigene Souveränität geben.« Nach den Bauzäunen vor dem Dom kam der »Forest Bus« – ein komplett mit Wald-Fotos beklebter Linienbus, der 2020 durch Monheim am Rhein kurvte. Und im Jahr darauf der unterirdische »Forest Dream«: Zum Träumen brachten einen diesmal Waldfotos auf beleuchteten Großwerbeflächen in der U-Bahn-Haltestelle am Kölner Neumarkt, wirkliche Premiumplätze. Aus der Bahn gestiegen, schien es fast, als könne man in der bodentiefe Wildnis verschwinden.
Die Schönheit der Bäume entdecken, die Poesie des Waldes in die Stadt tragen, Menschen positiv berühren. Darum geht es ihr. Mittlerweile steht Bornkessel als Bäume-Botschafterin vor dem nächsten Schritt. Erst waren es die Fotos, dann der Vorstoß in die Stadt. Jetzt will sie mit echtem Grün in den urbanen Raum. Die Pläne und Konzepte für künstlerische Stadtbegrünungen liegen schon bei ihr zu Hause in der Schublade. Vor einiger Zeit ist sie daran gegangen, Kommunen ihr Vorhaben nahe zu bringen. Es folgten zähe Verhandlungen und einige Absagen. Doch gerade erst hat sie ein Anruf erreicht: Eine Stadt in NRW habe eingeschlagen, wolle ihre Pläne verwirklichen. Mit Bäumen neue Treffpunkte und Lebensräume schaffen. Künstlerisch gestaltete Orte, an denen Menschen unter Bäumen zusammenkommen.