Mehrere Koffer und Taschen. Dazu Karabiner, Seile, Werkzeug und, natürlich, ihr bis zu sechs Meter langer Chinesischer Mast. Wenn Sabeth Dannenberg zur Arbeit geht, dann mit viel Gepäck – die Requisiten und Kostüme noch gar nicht mit eingerechnet. Denn die Bochumerin verbindet in ihren Performances Theater und Akrobatik zu einer Kunstform, die immer noch ihren passenden Namen sucht: Cirque Nouveau wird sie in Frankreich genannt. Zeitgenössischer oder Neuer Zirkus in Deutschland. Für die Zirkusexpertin Franziska Trapp geht es um »ein Genre des Dazwischen« – zwischen künstlerischer Kraft und körperlichen Extremsituationen, zwischen Innovation und Tradition, Kunst und Unterhaltung, Ästhetik und Politik.
Das trifft die Arbeit von Sabeth Dannenberg ziemlich gut, die in ihren Inszenierungen immer wieder Gesellschaftliches aufgreift: Das Tabuthema der Menstruation etwa. Oder, wie in ihrem jüngsten Stück »The SHAME must go on«, das Thema Scham. Ein Gefühl, das, so Dannenberg, »komplex und in ihrem Wesen nicht einfach im Theater zu zeigen ist«. Daher hat sie Kristin Scheinhütte und Jasper Schmitz engagiert, die es als Schauspieler auf der Bühne umkreisen. Denn Scham kann nicht nur voneinander trennen und regelrecht isolieren – sie kann auch Solidarität stiften und so etwas wie Gemeinschaftssinn. Vertikal im Zentrum steht der Mast, der mal Flucht- oder Rückzugsort ist, aber auch Pfahl der Schande oder Gebiet des Scheiterns.
Studiert hat Sabeth Dannenberg Physical Theatre an der Folkwang Universität der Künste in Essen, den Mast aber vor allem am Circus Warehouse in New York kennengelernt – und zudem mit viel autodidaktischem Einsatz an ihm einen ganz eigenen Stil entwickelt. Denn den einen Ausbildungsweg gibt es im Neuen Zirkus nicht. Und schon gar kein eigenes, spezielles Ausbildungszentrum im Ruhrgebiet. Das könnte sich im Zuge des Landesprojektes »Neue Künste Ruhr«, aber vor allem nach den Plänen des Vereins »Neuer Zirkus Ruhr« eines Tages ändern, zu dem Sabeth Dannenberg gehört. Inzwischen gibt es sogar ein Projektbüro, das Axel Hupertz und Jenny Patschovsky leiten. Sie träumen von einer eigenen Ausbildungsstätte für Zirkusartistinnen im Revier. Auch Olaf Kröck ist Teil des Netzwerks. Aus gutem Grund: Neuer Zirkus sei eine Kunstform für alle, sagt der Intendant der Ruhrfestspiele, der ihm deshalb viel Raum in seinem Programm gibt und auch schon Sabeth Dannenberg zu Gast hatte. Zum Verbund gehören zudem die Flottmannhallen und der Circus Schnick Schnack in Herne, die Initiative Urbanatix und der Open Space als Trainingszentrum für Streetartistik in Bochum. Orte, an denen Dannenberg immer wieder zu Gast ist, probt, arbeitet. Denn ihre Kunst erfordert besondere Rahmenbedingungen – hohe Räume, technisches Know-How. Damit es für sie hoch hinaus gehen kann. In einer Kunstform ohne Grenzen.
»The SHAME must go on«
10. und 11. März
Flottmannhallen Herne, Straße des Bohrhammers 5