Blitz und Donner, bedrohlich pulsierende Rhythmen. Menschliches Gewürm windet sich am Boden, richtet sich allmählich auf. Und dann das: Mit der Kraft einer Urgewalt stampfen, springen und tanzen die androgynen Wesen wie vom Teufel besessen auf der zur intimen Arena umgebauten kleinen Bühne. Wilde Blicke, entschlossene Kampfrufe und gefletschte Zähne – am Theater Münster toben die »Furien«. Lillian Stillwell, neue Chefchoreografin und Direktorin von Tanz Münster, hat sie zur Spielzeiteröffnung entfesselt und einen beeindruckenden Start hingelegt.
Was übertrieben klingen mag, bringt das junge Ensemble so überzeugend rüber, dass man dem knappen Dutzend Rachegöttinnen fasziniert zuschaut. Die Erinnyen wollen dem griechischen Mythos nach den Muttermörder Orest töten, durchleben eine Wandlung hin zu friedlichen Schutzgöttinnen, den Eumeniden.
Stillwell skizziert ihre Vision der Menschheit: Aus Krieg wird Frieden, aus Rache Gerechtigkeit. In »Furien« geht es nicht um einen Plot. Die US-Amerikanerin inszeniert die Entwicklung von Aggression zu Harmonie in starken Szenen, anfangs mit wilder Akrobatik und virtuosem, zeitgenössischem Tanz. Die Erfahrungen Stillwells mit klassischem Tanz, Musical und Oper spiegeln sich darin. Das versöhnliche Ende, durchsetzt mit schönen Ballettposen, gerät allerdings geradezu harmonietrunken.
Innovative, grüne Konzepte
Das Spektakel ereignet sich auf der nachhaltigen Bühne aus Modulen des jungen Architektenteams Stella Sattler und Jonathan Brügmann. Die archaisch anmutende Stadtmauer der Eingangsszene zerfällt später in tortenstückförmige Treppenstufen zu Sitzmöbeln. Auch die Kostüme – Trikots und Shirts – sind wiederverwertbar.
»Furien« ist der Auftakt einer neuen Tanz-Ära in Münster mit innovativen, grünen Konzepten. Auch die Ressource Tänzer-Körper soll geschont werden. Wenn das künstlerische Ergebnis so ausfällt, kann es sich sehen lassen. Furios!
Furien
bis Juni 2023
Theater Münster, Kleines Haus