Von Joseph Haydn sind rund zwei Dutzend Opern und Singspiele überliefert. Mit einem dieser Werke war er besonders zufrieden. Es ist das dreiaktige Dramma pastorale giocoso »La fedeltà premiata«, über das er einmal schrieb, »dass dergleichen Arbeit in Paris noch nicht gehört worden ist und vielleicht ebenso wenig in Wien«. Uraufgeführt wurde die »Belohnte Untreue« am 25. Februar 1781. Und obwohl dieses heitere, von Jagdgöttin Diana angestoßene Pastoralspiel ein rauschender Erfolg wurde, verfiel die Oper bis zur ihrer modernen Uraufführung im Jahr 1968 in einen Dornröschenschlaf.
Um was für einen zündenden, unterhaltsamen wie musikalisch abwechslungsreichen Opernwurf es sich dabei handelt, hat erst kürzlich, im August, der dirigierende Haydn-Spezialist Andreas Spering bewiesen. Als er das Stück bei den Brühler Schlosskonzerten mit seiner Capella Augustina in einer konzertanten Aufführung quasi ein zweites Mal wachküsste. Mit dieser Produktion ist Spering nun auch bei den Tagen Alter Musik in Herne zu Gast. Schließlich passt »La fedeltà premiata« mit ihrer Bandbreite an menschlichen Gefühls- und Seelenregungen perfekt zum diesjährigen Festivalschwerpunkt: »Tragisch – komisch« lautet das Motto der mittlerweile 46. Ausgabe dieses viertägigen, auf die historische Aufführungspraxis abonnierten Festivals.
Dass hier mit Haydn auch ein Komponist auf dem Programm steht, den man eigentlich genauso wenig mit dem Label »Alte Musik« in Verbindung bringt wie etwa die ebenfalls zu hörenden Kollegen Mozart und Beethoven, liegt einmal mehr an der federführenden Handschrift von Richard Lorber. Denn schon lange ist Herne für den Künstlerischen Leiter und Redakteur beim veranstaltenden WDR nicht nur Treffpunkt für die Fans der Musik aus Mittelalter und Barock. Zugleich lädt Lorber – wie etwa in diesem Jahr mit der Hammerflügel-Spezialistin Olga Pashchenko – stets Musiker, Ensembles und Orchester ein, die auch dem Originalklang der Romantik oder gar des frühen 20. Jahrhunderts nachspüren. In den insgesamt zehn Konzerten der aktuellen Festival-Ausgabe umfasst der Epochenspagat stolze fünf Jahrhunderte. Wobei nahezu sämtliche Gemütszustände – vom Tränenlachen bis zum Schluchzen und Verzagen – in unterschiedlichsten Klangformen zum Ausdruck kommen.
Gleich zu Beginn bleibt einem ein wenig das Lachen im Halse stecken, wenn der Mittelalter-Experte Benjamin Bagby zusammen mit seinem Ensemble Sequentia den legendären »Roman de Fauvel« in einer musikalischen Fassung aus dem frühen 14. Jahrhundert vorstellt. Von derb bis ausgelassen witzig drehen hingegen Concerto Romano sowie La Florida Capella ihre Pirouetten entlang an komischen bis anzüglichen Arien, Canzonen und Madrigalen aus dem 17. Jahrhundert. Repertoire-Trüffelnase und Dirigent Roland Wilson reist mit seiner Musica Fiata und dem kaum bekannten Musikdrama »Pia et fortis mulier« des bayerischen Barockkomponisten Johann Caspar Kerll an. Und statt auf ihrer Blockflöte brilliert Dorothee Oberlinger diesmal als Dirigentin mit ihrem Ensemble 1700 – bei der topbesetzten Aufführung von »L´Huomo«. Die Tragikomödie des Münchner Vizekapellmeisters Andrea Bernasconi war 1754 im Bayreuther Schlosstheater uraufgeführt worden. Jetzt wird sie in Herne sicher für reichlich Kurzweil sorgen.
46. Tage Alter Musik Herne, 10. bis 13. November