Die Welt scheint hinter eine Scheibe gerückt. In den vergangenen Corona-Jahren hat das Tempo der Digitalisierung noch einmal kräftig angezogen. War die reale Begegnung früher einmal selbstverständlich, so haben wir im Lockdown gelernt, fast ohne auszukommen. Videokonferenzen, virtuelle Rundgänge, Online-Unterricht wurden selbstverständlich. Und gleichzeitig erkannten wir, wie wichtig doch das analoge Miteinander ist.
Themen, mit denen sich natürlich auch die Kunst auseinandersetzt. Künstler*innen loten die Grenzen der digitalen Techniken aus und reflektieren immer häufiger die zunehmend engen Bande zwischen Mensch und Maschine. Marcel Schumacher, Leiter am Kunsthaus NRW, hat unter den neueren Zugängen in der Sammlung etliche Werke gefunden, die ums Digitale kreisen.
Wie verändert diese Technik unser Verhalten, unsere Wahrnehmung von Realität, unsere Vorstellungswelt? Um solche Fragen geht es jetzt in der Ausstellung »screen time – digitale Wirklichkeiten«. Dazu hat Schumacher 18 Positionen aus NRW versammelt, die sich in den Räumen der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster mit Bildphänomenen vor und hinter dem Monitor auseinandersetzen.
Darunter ist etwa Louisa Clement, die mit frühen Handy-Fotos vertreten ist. Und Alex Grein, die Pigmentdrucke auf Keramik zeigt, in denen die digitalen Pixel in die reale Welt traditioneller Kacheln überführt scheinen. Philipp Goldbach präsentiert Computerplatinen hinter Plexiglas. Darauf gespeichert sein sollen sprachphilosophische Texte von Descartes bis Leibniz – als Basis für die Computersprache.
Ebenfalls dabei ist Tim Berresheim. Für seine aktuelle Arbeit hat er sich in Kornelimünster umgesehen und historische Orte eingescannt – die barocke Reliquien-Kapelle der Abteikirche zum Beispiel und den Kaiser-Saal des alten Klosters. Die architektonischen Versatzstücke wurden dann per Rechner zerschnitten, verdreht und ineinandergeschoben: wesentliche Epochen der Kunst-, Kultur-, Architekturgeschichte surreal verdichtet im Digitalen.
Amüsant wird es bei Tim Gorinski, der vorführt, was dabei herauskommt, wenn zwei PCs per Spracherkennung miteinander kommunizieren. Munter werfen sich die Apparate gegenseitig Sätze zu, während man auf den Bildschirmen die Verschriftlichung verfolgen kann – inklusive all der Missverständnisse, die sich einschleichen. Stille Post reloaded.
Bis 26. März 2023, kunsthaus.nrw