Oboen, Klarinetten, Fagotte, Saxophone, Flöten aus aller Welt – ab dem 24. Juni erklingen sie wieder im Münsterland. Ein Gespräch über das Festival Summerwinds mit der Intendantin Susanne Schulte.
Das Holzbläser-Festival Summerwinds ist in Europa einzigartig. Vom 24. Juni bis 2. September können sie in Münster und im Münsterland nach der Corona-Pause wieder erklingen – Oboen, Klarinetten, Fagotte, Saxophone, Flöten aus aller Welt. Im Interview erklärt Intendantin Susanne Schulte, wie ihr Festival in einer interessanten Nische sein Publikum findet.
kultur.west: Frau Schulte, Sie eröffnen das Festival zum dritten Mal mit »BlockBuster«, einem Spezial rund um die Blockflöte. Wird dieses Instrument zu Unrecht von vielen Menschen gehasst?
SCHULTE: Ich glaube, es hat der Blockflöte tatsächlich mehr geschadet als genutzt, dass man Generationen von Kindern mit ihr regelrecht gequält hat in der Grundschule. Die allermeisten hatten keine Erfolgserlebnisse – also die Erfahrung, dass sie total klasse klingen kann. Ich bin glücklicherweise darum herum gekommen und nur Klavier geschädigt (lacht). Ich denke aber, dass sich die Unterrichtsmethoden seit den 1960er und 70er Jahren verbessert haben.
kultur.west: Wie bringen Sie die Menschen dazu, die Blockflöte zu lieben?
SCHULTE: Durch eine neue Generation von Musiker*innen hat sich unheimlich viel getan. Zum Beispiel, was die historische Aufführungspraxis angeht: Das ging in den Niederlanden los und in Österreich und Deutschland, wo die Blockflöte in der Barock- oder Renaissance-Musik sehr stark im Vordergrund steht. Mit ihr ist das ganze Repertoire neu entdeckt worden. Wer bisher keine Berührungspunkte mit der Blockflöte hatte, wird aus Konzerten etwa des Ensembles The Royal Wind Music aus Amsterdam im Erbdrostenhof Münster kommen und staunen, was dieses Instrument alles kann und wie viele Größen und Versionen es von ihm gibt. Oder aus dem Abend des Virtuosen Erik Bosgraaf im Theater Münster, der Vivaldis »Vier Jahreszeiten« spielen wird in einer eigenen Interpretation, die er kombiniert mit Video-Projektionen, Live-Elektronik und Improvisation. Er formt die Komposition um zu einer Lebensreise.
kultur.west: Der »BlockBuster« besteht auch nicht nur aus Konzerten.
SCHULTE: Ja, am Eröffnungswochenende treten nicht nur renommierte Blockflötist*innen auf. »BlockBuster« bedeutet auch, dass es eine große Präsentation von Blockflöten-Bauern gibt und zwar in der Bürgerhalle der Bezirksregierung Münster, direkt am Dom. Das ist praktisch ein riesengroßer Wintergarten, in dem auch Bäume wachsen – also atmosphärisch wunderschön. Da wird man Blockflöten in all ihren Facetten bewundern können, die aus ganz unterschiedlichen Hölzern gemacht sind. Früher war es so, dass die Spieler*innen sie auch immer ausprobiert haben. Mal gucken, ob das nach Corona auch noch so ist.
kultur.west: Wie schaffen Sie es, mit einem Holzbläser-Programm an aktuelle Themen anzuknüpfen?
SCHULTE: Wenn uns Corona nicht dazwischen gekommen wäre, hätten wir fast eine Uraufführung von dem in den Niederlanden sehr bekannte Komponisten Willem Wander Van Nieuwkerk bekommen. Sein Stück, das bei uns jetzt als Deutschland-Premiere zu hören ist, heißt »Songs of War and Piece« und hat den Westfälischen Frieden, der ja in Münster geschlossen wurde, beziehungsweise den Dreißigjährigen Krieg zum Thema. Van Nieuwkerk hat Lieder aus der Zeit aufgenommen und daraus zeitgenössische Musik gemacht in einer ganz tollen Kombination aus der barocken Blockflöte und dem romantischen Streichquartett. Das hört man selten. Und das Thema Krieg und Frieden ist ja jetzt leider erschreckend aktuell. Im Programmheft habe ich außerdem Andreas Gryphius »Tränen des Vaterlandes«, das barocke Friedensgedicht, abgedruckt. Wenn man es heute liest, ist man überrascht, wie man es auf die Situation in der Ukraine überblenden kann.
kultur.west: Können Sie Ihre ganz eigene Faszination von Holzblasinstrumenten beschreiben?
SCHULTE: Die klingen natürlich alle sehr unterschiedlich. Aber letztlich ist es der Atem. Alle Töne werden mit Luft gemacht und dadurch hat man das Gefühl, bei diesen Instrumenten noch näher am lebendigen Körper dran zu sein, der sich unvermittelt übersetzt in eine unglaubliche Farbigkeit.
kultur.west: Sie präsentieren über 300 Musiker*innen – aus wie vielen Ländern?
SCHULTE: Ich habe das nicht nachgezählt, aber es sind viele. Häufig sind es allerdings Herkunftsländer, das heißt die Spieler*innen sind erst zum Studium nach Deutschland oder Europa gekommen und leben jetzt hier. So kann man sagen: Das Ensemble Los Temperamentos, das in der Evangelischen Stadtkirche Gronau spielt, kommt aus Bremen – aber da haben sie sich nur getroffen und stammen ursprünglich aus Peru, Chile, den Niederlanden und Deutschland. Oder die Royal Wind Musik: Da sind Menschen aus Lateinamerika dabei, Japan und verschiedenen Ländern Europas.
kultur.west: Welches Instrument ist am weitesten gereist?
SCHULTE: Das ist die Sheng, die chinesische Mundorgel, mit einem der hier berühmtesten Virtuosen Wu Wei, der auch selber ein Grenzgänger ist: Er ist toller Improvisator, der in Shanghai unterrichtet und in Berlin lebt und in der ganzen westlichen Welt auch mit großen Orchestern unterwegs ist. Zu uns kommt er in die Kirche St. Petronilla in Münster-Handorf mit Open Chamber Berlin, das ist im Kern ein Barockensemble und wird mit ihm Barockmusik mit einer neuen Klangfarbe erklingen lassen, mit improvisierten Teilen. So schlagen sie die Brücke von den alten Kompositionen ins Heute. Das ist übrigens charakteristisch für mein gesamtes Programm, das Musik nicht nur museal präsentiert, sondern oft zeitgenössische Musik, die sich auf die alte bezieht.
Susanne Schulte
…ist Germanistin und übernahm 1995 die Leitung der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit, die Förderpreise in den Bereichen Kunst, Musik und Literatur vergibt. Seit 2012 veranstaltet sie auch das Festival Summerwinds, dessen Intendantin sie ist.
24. Juni bis 2. September
verschiedene Orte in Münster und im Münsterland