Ein Gespräch mit der Designerin Gesa Hansen in skandinavischem Du über Gerüche aus der Kindheit und Bäume in Schränken.
kultur.west: Wie hat dich deine Kindheit im Sauerland geprägt?
GESA HANSEN: Für uns war das eine Kindheit in einer riesigen Waldgegend, wo man morgens aus dem Haus ging und die Eltern den ganzen Tag nicht wussten, wo man war. Ich bin auch heute glücklich im Wald, weil es mich wahrscheinlich so an meine Kindheit erinnert.
kultur.west: Ist das auch der Grund, warum die Möbel für »The Hansen Family« aus Holz sind?
GESA HANSEN: Im Holz habe ich immer eine Art magischen Werkstoff gesehen, weil mein Großvater mir alles, was ich wollte, aus Holz machen konnte: eine Puppenstube, ein Boot oder ein Gewehr.
kultur.west: Hast du als Kind mit ihm gemeinsam gearbeitet?
GESA HANSEN: Immer. Ich durfte nicht an die Maschinen, aber anmalen durfte ich oder feilen oder schnitzen. Ich habe früh gemerkt, dass man extrem viel mit diesem Werkstoff Holz machen kann. Als ich später bei Jean Nouvel in Paris war und Sachen designed habe, für die erst Maschinenstücke entworfen werden mussten, habe ich gedacht: Holz ist ja schon ziemlich cool, weil man einfach in ganz kleinen Stückzahlen arbeiten kann, ohne dass man gleich Gießformen braucht.
kultur.west: Was war denn prägend für dein Design?
GESA HANSEN: Ich bin quasi im Architekturstudio meines Onkels aufgewachsen und im Büro meines Vaters. Beide sind ziemliche Minimalisten in dem, was sie machen. Ich bin gar nicht so im Minimalismus, sondern viel mehr in dem Stil meines Großvaters unterwegs, also mehr Holz, ein bisschen Mitte des Jahrhunderts in Richtung Bauhaus. In den Fabriken mit dem Metall von meinem Vater mochte ich den Geruch überhaupt nicht. Es ist so ein harter Geruch, wenn Metall geschweißt wird. Ich mochte aber den Geruch im Holzatelier und habe mich mit Holz immer wohl gefühlt.
kultur.west: Und wie würdest du dein Design für »The Hansen Family« beschreiben?
GESA HANSEN: Es ist schon extrem skandinavisch. Ich versuche ganz oft, nicht skandinavisch zu designen, und dann kommt wieder skandinavisch raus. Ich fange oft bei einem Stück an, das mich extrem interessiert. Es ist ein Herumexperimentieren um ein Möbel, das ich an sich schon gut finde. Auf jeden Fall ist der Style der Möbel gar nicht Sauerland. Obwohl ich unheimlich gerne diese alten Bauernhof-Möbel mag, die großen Betten oder Textilienschränke. Die sind wunderschön gemacht mit den Schnitzereien. Aber ich würde es nicht in meinem eigenen Design machen.
kultur.west: Wenn du skandinavisches Design sagst – was ist das für dich?
GESA HANSEN: Es sind für mich auch viele Formen, die vom Bootsbau kommen. Wir sind quasi auch am Möhnesee aufgewachsen, weil mein Vater da ein Boot hatte. Das hat mich extrem inspiriert. Viele von den ganz einfachen Formen kommen eigentlich aus Sachen, die ich auf dem Boot gesehen habe. Das macht es automatisch ein bisschen mehr skandinavisch, weil das Boot von meinem Vater ein dänisches Boot ist. Es sind weichere, geschwungene Formen, nicht so streng wie das deutsche Design.
kultur.west: Gibt es Unterschiede zwischen deinen Entwürfen für »The Hansen Family« und für andere?
GESA HANSEN: Ja, definitiv. Wenn ich für andere entwerfe, dann versuche ich noch unskandinavischer zu designen. Ich versuche, in »The Hansen Family« meine ganzen Inspirationen – meine Hauptinspiration sind ja Japan und Skandinavien – zu vereinen.
kultur.west: Ich mag sehr den »Trunk«, eine Garderobe mit einem Baumstamm darin.
GESA HANSEN: Von so einem Möbel träumt man als Kind. Es ist ein bisschen wie bei »Alice im Wunderland«. Inspiriert wurde ich aber von den Marlene-Dietrich-Schrankkoffern. Die wollte ich auch machen, aber aus Holz und mit einem Baum, der darin wächst. Das ist poetischer als ein simpler Koffer. Es macht Spaß, etwas Poetisches zu designen, was ein bisschen Witz hat. Aber es war auch so ein Möbel, was ich schon immer haben wollte.
kultur.west: Wie werden die Möbel gefertigt? Gibt es überhaupt noch genug Holz im Sauerland, um die Sachen dort fertigen zu können?
GESA HANSEN: Ich glaube, dass Eiche bald nicht mehr nachhaltig ist, weil es total nachgefragt ist. Das ist das traurige an dieser bescheuerten Wirtschaft, die europäische Eiche wird jetzt von China aufgekauft, um sie dann dort zu Möbeln zu verarbeiten. Ich liebe Eiche, aber ich überlege, dass ich vielleicht jetzt auf andere Hölzer umsteigen muss.
Zur Person
Die Designerin Gesa Hansen lebt und arbeitet in Courances, südlich von Paris. Sie wurde 1981 in Arnsberg geboren, wuchs in Ense Lüttringen im Sauerland auf und studierte an der Bauhaus Universität Weimar sowie an der Nagoya University of Arts in Japan. Im Anschluss arbeitete sie für das Atelier Jean Nouvel, das französische Grafik- und Animationsstudio H5 sowie für das Nippon Design Center. Im Jahr 2009 gründete sie »The Hansen Family«, nachdem sie bereits für die Firma ihres Vaters Hans Hansen Möbel entworfen hatte. Für das Remix Sideboard wie auch den Remix Desk erhielt sie 2010 den Red Dot Design Award. Das Familienunternehmen lässt die meisten Möbel in kleinen Serien von etwa zehn Stück in einer Schreinerei im Sauerland produzieren, einige Stücke werden auch in der Firma von Gesas Bruder in Litauen gefertigt. Gesa Hansen entwirft für zahlreiche Auftraggeber wie Villeroy & Boch, Armani oder Dom Perignon und gestaltet auch die Einrichtung für Restaurants, Geschäfte oder Hotels.