Auf den Bühnen gehören Wachstumskritik und Ökothemen zum guten Ton, während bei Intendant*innen, Geschäftsführer*innen und Regisseur*innen nachhaltiges Denken und Handeln noch immer nur eine eher kleine Rolle spielt. Dabei geht der Klimaschutz alle an – nicht zuletzt in der Kultur. Zudem könnte künftig die Frage der Nachhaltigkeit auch die Vergabe öffentlicher Mittel bestimmen.
»Nachhaltige Entwicklung und kulturelle Entfaltung sind wechselseitig voneinander abhängig.« Dieser Satz stammt nicht aus dem Programm der Grünen für die nächste Bundestagswahl oder vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, das die Bundesregierung vergangenen Sommer auf den Weg gebracht hat. Es handelt sich um das oberste Prinzip eines globalen Plans der UNESCO mit dem Titel »The power of culture« und stammt von 1998. Drei Jahre später, im April 2001, wurde dann das Tutzinger Manifest für die Stärkung der kulturell-ästhetischen Dimension von Nachhaltigkeit verabschiedet. Zu den Erstunterzeichner*innen gehörten der damalige NRW-Kulturminister Michael Vesper (GRÜNE), die Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestag, Monika Griefahn (SPD), der Direktor des Kultursekretariats NRW, Dietmar N. Schneider, sowie der Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft und Kulturdezernent in Essen, Oliver Scheytt. Passiert ist danach, jedenfalls im Bereich der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen: nichts.
Vor allem die Theater leben dabei seit Jahrzehnten in einem Dauerzustand kognitiver Dissonanz: Auf den Bühnen selbst gehören Wachstumskritik und Ökothemen zum guten Ton, während im eigenen Apparat, bei Intendant*innen, Geschäftsführer*innen und Regisseur*innen, nachhaltiges Denken und Handeln kaum eine Rolle spielt. Wie weit der Kulturbetrieb der gesellschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, merkt man daran, dass ihn jetzt sogar konservative Politiker*innen auf dem Grünstreifen überholen: Die CDU-geführte Große Koalition im Bund will öffentliche Mittel künftig daran knüpfen, dass die Empfänger EMAS-zertifiziert sind; ein normiertes Verfahren zur Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, beaufsichtigt vom Umweltgutachterausschuss des Bundesumweltministeriums. Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW denkt in eine ähnliche Richtung. Erste Überlegungen dazu präsentierte die oberste Beamtin im Düsseldorfer Kulturministerium, Hildegard Kaluza, neulich auf einer Klimawerkstatt Theater des oben erwähnten Aktionsnetzwerks. Nach ihrem Vortrag sagte der Direktor der Berliner Schaubühne, Tobias Veit: »Ich kann verstehen, dass die Kultur da ein Vorreiter sein soll und sein kann, und sehe die Theater auch durchaus in der Pflicht.«. Seitens der Politik Vorgaben zu machen, sei aber problematisch. Dabei wurden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen 2015 auch mit der Stimme Deutschlands beschlossen. Sie verpflichten den ganzen Staat, samt Kulturförderung. Zu ihnen zählen neben dem Klimaschutz auch Geschlechtergerechtigkeit oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Deshalb müssen Bund und Länder die Vergabe öffentlicher Mittel an die Einhaltung von Standards in diesen Bereichen binden. In der Sache selbst ist das gerade nicht »problematisch«, sondern sogar überfällig und würde vieles – endlich – zum Guten verändern. Dass nachhaltige Entwicklung und kulturelle Entfaltung wechselseitig voneinander abhängig sind, ist nämlich nicht nur 1998 völlig richtig gewesen.