Der klirrend kalte »Friedhof im Winter« aus den 1890er Jahren erinnert an Camille Pissarro. »Goethes Garten« scheint in Art der Pointillisten hingetupft. Der Komplementärkontrast in der »Landschaft bei Erling« hätte Vincent van Gogh sicher gefallen, und der »Tanzende Akt«, den Christian Rohlfs 1909/10 ins Holz schnitt, bewegt sich im Rhythmus der »Brücke«-Künstler. Die rund 100 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgrafiken, die das Kunstmuseum in Ahlen zusammenbringt, überblicken ein aus vielen Quellen inspiriertes, trotzdem eigenes Werk.
Womöglich hätte es diese Bilder nie gegeben, wäre Christian Rohlfs (1849-1938) nicht mit 14 vom Apfelbaum gefallen. Er wäre vielleicht Bauer geworden wie sein Vater. Doch auf den Sturz folgten zwei Jahre Bettruhe, die sich der Teenager zeichnend und malend vertrieb und dabei ein erstaunliches Talent bewies. So geriet er auf die künstlerische Bahn und später unter den Einfluss diverser Künstler und Strömungen.
Künstlerisch passierte allerhand in dieser Zeit. Rohlfs bekam auch dank Karl Ernst Osthaus einiges davon mit. Der prominente Kunstmäzen hatte den Maler 1901 nach Hagen geholt. Als er kam, war Rohlfs Anfang 50, und blieb. Osthaus‘ außerordentliche Sammlung aktueller Avantgarde brachte ihn in kurzer Zeit auf lauter neue künstlerische Ideen. Wie kaum ein anderer verarbeitete der »Augenmensch« die Eindrücke.
Doch in Ahlen tritt dieser Aspekt eher in den Hintergrund. Die Schau ordnet Rohlfs‘ Arbeiten nicht chronologisch unter wechselnden stilistischen Vorzeichen. Sie fächert es intuitiv auf, hebt die Ausdrucksweisen hervor, zeigt Rohlfs etwa »kraftvoll« im schwarz-weißen Strichgewirr, das den dicken Mann im karierten Anzug dominiert, und »zart«, wenn er drei Klatschmohn-Blumen in die Vase stellt, die jeden Moment ihre Blätter zu verlieren scheinen. »Bewegt« ist Rohlfs‘ tanzender Akt, acht Tulpen ordnet der Maler »konstruktiv« im strengen Linien-Gerüst, und »melancholisch« wirkt sein Friedhof im Winter unter lastend grauem Himmel.
Einen Höhepunkt hebt sich Rohlfs fürs Spätwerk auf. In den 1930er Jahren hält sich der Maler oft in Ascona am Lago Maggiore auf. Dort sieht er weiße Wolken und Steine in der Maggia, er malt die Mondnacht am See und immer wieder Blumen: Chrysanthemen, Mimosen, Magnolien. Auch weiße Blüten, deren Konturen sich auflösen. Licht bricht sich Bahn.
KUNSTMUSEUM AHLEN
BIS 21. MAI