Fernbeziehung. So könnte man das Arbeitsverhältnis der Musiker Erol Sarp und Lukas Vogel nennen. Kennengelernt haben sich die beiden zwar 2012 beim gemeinsamen Studium am »Institut für Musik und Medien« an der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule, leben aber nunmehr an verschiedenen Orten. Der gebürtige Wuppertaler Erol Sarp arbeitet in Berlin, während der in Zürich aufgewachsene Lukas Vogel in Bochum zuhause ist. Dort steht auch der modifizierte Flügel, jenes Instrument, das den speziellen Sound der Grandbrothers erzeugt. Ein Computer steuert eine selbst entwickelte Apparatur aus elektromechanischen Hämmern, die auf die Saiten und Teile des Flügels klopfen, so dass dieser gleichzeitig nach Cembalo und Drum Machine klingt.
Für die Produktion ihres neuen Albums »All The Unkown« kamen ein weiterer Flügel und ein Klavier sowie Loops und Sounds des Original-Instruments hinzu. Sarp und Vogel haben etwa ein Buch auf die Saiten gelegt oder sind mit einer Kette die Stege entlang geratscht, um Material für diesen Soundbaukasten zu erzeugen. Wer das Album hört, fühlt sich ein bisschen wie im grünen Gehölz auf dem Cover – was von außen als Einheit erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung im Inneren als eine komplexe Struktur aus feinen Verästelungen. Breitwandsound mit fliegenden Tempi oder hektische Tastenfolgen, die sich flächig ausbreiten, um zu etwas völlig anderem zu führen als erwartet.
Das Stück »Black Frost« etwa flirrt erst hell und hektisch vor sich hin, die Computerspiel-Soundtracks der 80er Jahre zitierend, bevor sich energisches Flügelspiel hinzu drängelt, um dann in elektronischen Rückkopplungen zu verhallen. Das nur halbminütige »The Goat Paradox« steht auf der Bremse und wirkt wie ein Intro eines unvollendeten Songs – die Grandbrothers haben für diese kleine »Übung« die Technik des in der Minimal Music oft verwendeten »Phasing« genutzt. Dabei wird auf Flügel und Klavier gleichzeitig dieselbe repetitive Melodie gespielt, während sich ein Instrument dabei in einem zunehmenden zeitlichen Abstand davon wegbewegt. Vor der Arbeit an »All The Unkown« haben Sarp und Vogel den Score für den Spielfilm »Hors Normes« produziert. Diesen Einfluss merkt man dem Album an, etwa beim finalen Track »Mourning Express«, der mit einem verschleppten, Portishead-haften Beat beginnt, um sich dann elegisch-melodiös auszubreiten. Ob dieser Beat nun aber gesampelt war, oder mit rustikalem Handwerkszeug am Flügel selbst erzeugt wurde, bleibt ein Geheimnis im dichten und komplexhübschen Soundgeflecht des Albums. Glücklicherweise.
Grandbrothers
»All The Unkown«
Cityslang