»Finde ein altes und verstaubtes Stück und vergewaltige es.« Mit diesem Ausspruch von Derek Jarman setzt das digitale Programmheft zu Pınar Karabuluts Adaption von Ewald Palmetshofers »Edward II.« gleich ein deutliches Zeichen. Der Filmemacher und Künstler hatte 1991 bei seiner Verfilmung von Christopher Marlowes Tragödie genau diesen Ansatz verfolgt und so einen der großen Klassiker des queeren Kinos geschaffen. Seine Variante der tödlich endenden Liebesgeschichte zwischen König Edward II. und seinem Günstling Gaveston war ein Aufschrei gegen das konservative England der Thatcher-Ära.
Eine Art Aufschrei soll auch Karabuluts sechsteilige Miniserie sein – allerdings nicht unbedingt gegen die politischen Zustände unserer Tage. Die Regisseurin rebelliert mit ihren meist in den Räumen und Sälen eines noblen Hotels entstandenen Filmbildern gegen die Grenzen und Konventionen des Theaters. Die erste Folge, die von der Rückkehr Gavestons aus dem Exil in einen riesigen Hochhauskomplex erzählt, erweist sich als wahrer Rausch aus opulenten Bildern. In Karabuluts Vision ist die Liebe nicht nur eine subversive Kraft, die das staatliche Gefüge ins Wanken bringen kann. Sie ist ein durch und durch körperlicher Akt. Entsprechend schwärmerisch inszeniert sie das von Alexander Angeletta und Justus Maier gespielte Liebespaar. Ihre Körper verschmelzen zu Skulpturen des Begehrens und der Erfüllung, wie sie im Theater undenkbar wären.
Die Episoden werden jeweils freitags um 19.30 Uhr online veröffentlicht und sind danach jederzeit abrufbar. Die sechste und letzte Folge hat am 19. März Premiere.