Hier sieht es aus wie in einem Science-Fiction-Movie der 1950er Jahre. Von der Decke hängen Pilze aus Stoffstreifen, auf dem Boden liegen von innen beleuchtete Pappmaché-Steine und aus einer hellgrauen Brettersäule, der Rettungsstation Andromeda, ragen Schläuche. Das Publikum ist auf einer Raumschiffkreuzfahrt gestrandet – nach einer Notlandung. In »Shell Game – Lost in Paranoialand« wartete eine Androidin auf die Zuschauer. Wer zurück zur Erde wollte, musste erst einmal die Rätsel dieses bizarren Planeten lösen. Mit ihrer Hilfe.
Wer ein Stück von Anna Kpok besucht, ist selbst gefordert – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn was seit Jahren auf dem Programmzettel der ungewöhnlichen Gruppe steht, nennt sich „Game Theater“, das die Grenzen zwischen Publikum und Schauspieler durchlässig macht – oder ganz auflöst.
Eine Person ist die Dame mit dem eigentümlichen Nachnamen allerdings nicht, sondern viele: Denn Anna Kpok ist ein Kollektiv, dessen Bezeichnung aus den Nachnamen der Gründer entstand. Das war 2009.
»Wir hatten von Anfang an ein großes Interesse daran, dass sich Künstler und Publikum austauschen«, erzählt Gründungsmitglied Klaas Werner. Mit der Performance »Anna Kpok und der letzte Zombie« brachte die Gruppe Jump’n’Run-Adventures in analoge Spielsituationen. Wie in Super Mario Bros. lenkte das Publikum einen Avatar bzw. Schauspieler durch einen Hindernisparcours, auf dem fiese Gegner ausgeschaltet werden mussten. Dafür standen ihnen aber nur simple Befehlspaare wie »Links / Rechts« oder »Ducken / Springen« zur Verfügung.
Inzwischen hat man sich von solch typischen Spielmustern gelöst: »Wir glauben an Rückkanäle«, sagt Klaas Werner, »auch wenn sie im Internet in Form von Kommentaren in letzter Zeit stark in Verruf gekommen sind«. Gemeint sind Eingriffsmöglichkeiten, die das Publikum während des Spiels verstärkt bekommen soll. Es geht aber auch um das Feedback zum Ende einer jeden Aufführung, aus der Anna Kpok Anregungen für spätere Arbeiten zieht. Und die auch als eine Art demokratisches Forum verstanden werden, in dem das Publikum die Themen der Produktionen weiterdiskutiert.
In diesem Sinne wird das Stück »Umgeben von Dingen« ab November 2021 das Publikum noch mehr in den Fokus rücken: Es soll sich durch eine Installation in fünf Räumen arbeiten. Auf einem Parcours, auf dem es um die Bedeutung und Geschichte seriell hergestellter Alltagsgegenstände geht – und die Erfahrungen und Entscheidungen jedes einzelnen Zuschauers.