Von den Alten Meistern bis zu Helmut Dietl ist es nicht so weit, wie man annehmen könnte. Sie alle wussten das Licht von Kerzen für ihre Zwecke zu nutzen. Für die alten Flamen waren die offenen Flammen nicht nur die zeitgenössische Technologie, um ihre Ateliers zu erhellen, sondern immer auch Mittel für die stimmungsvoll-güldene Anmutung ihrer Gemälde. Hätte es damals schon Neonröhren oder gleißende LED-Technik gegeben, die Bilder jener Zeit sähen ganz anders aus.
Der Regisseur Helmut Dietl beleuchtete 1997 das Bühnenbild des Münchener Schickeria-Italieners »Rossini« in seinem gleichnamigen Film mit dem Licht hunderter weißer Kerzen. Ein einfaches Mittel für die größtmögliche Wirkung – so einen Effekt bekommen selbst raffinierte Lichttechniker nur schwer hin. Und Dietl setzte auf Kontraste. Zum Ende des Films, als alle Machtkämpfe ausgefochten und viele Herzen gebrochen waren, wurden die Kerzen gelöscht und die Beleuchtung wechselte zu bläulichem Neonlicht; »Putzlicht«, wie es die Theaterleute nennen.
So etwas kannte der Cro-Magnon-Mensch vor ungefähr 40.000 Jahren natürlich nicht. Dieser war froh, das Feuer gebändigt zu haben und mit steinernen Lampenschalen, in denen ein Docht in flüssigem Talg brannte, die Dunkelheit bezwingen zu können. Die Erfindung der Kerze liegt indes etwa 5000 Jahre zurück, damals wurden stabile Dochte aus Stroh, Schilfrohr oder Papyrus in Talg getaucht. Im Mittelalter hatte die Kirche großen Bedarf an Kerzen und bestimmte, dass für diese Exemplare nur Bienenwachs verwendet werden durfte, was dazu führte, dass der Rohstoff zu einem bedeutenden Handelsgut jener Epoche wurde. Außerhalb von Kirchen und Schlössern musste das Volk mit Kienspänen oder Kerzen aus billigem Talg Vorlieb nehmen. Dieser wurde aus dem Fettgewebe von Rindern und Hammeln gewonnen, was zu starker Rußbildung und olfaktorischen Zumutungen führte – es stank zum Himmel.
Bis heute ist die brennende Kerze in vielen Religionen ein bedeutendes Symbol der Liturgie. Die Osterkerze als Zeichen der Auferstehung, die Lichter des heiligen Sankt Martin, das hoffnungsvolle Licht der Kerzen im dunklen Advent oder die Lichter, die an Allerseelen auf den Gräbern an die Verstorbenen erinnern.
Zudem sind Kerzen zum Lifestyleprodukt geworden, deren Aufgabe nicht mehr das Erhellen der Wohnung ist, sondern lediglich die möglichst heimelige Dekoration. Spätestens, seitdem stinknormale Badezimmer von Marketingfüchsen mutwillig zu »Wohlfühloasen« umdeklariert worden sind, gibt es kein Halten mehr. Ein Wannenbad kann nicht mehr ohne romantische Beleuchtung einer Maxipackung Teelichter auf dem Beckenrand vonstatten gehen, was bei längerem Bade die verbrauchte Luft im Raum wie den Opferstock einer Wallfahrtskirche riechen lässt. Konsequenterweise wurden vermehrt pastellfarbene Duftkerzen auf den Markt geworfen, die künstlich nach »Winter Spice« oder »Classic Housewarmer Vanilla Cupcake« duften und in der Kombination so riechen, als hätte man in einer Douglas-Filiale randaliert und sich anschließend in den Trümmern gewälzt. Obwohl – immer noch besser als angebrannter Hammel.