Juri ist immer dabei. Der hochbeinig-elegante Podenco-Foxterrier, geboren auf Ibiza, der mit sanften, manchmal skeptischem Blick die Welt beschaut, ist ständiger Begleiter von Anja Rützel. Er bekommt auf Twitter zurecht viele Herzchen, rollte sich bei pandemischen Streamingformaten dezent zu ihren Füßen zusammen und taucht natürlich direkt auf den ersten Seiten ihres Buch »Schlafende Hunde« auf. Klein und bescheiden sitzt er im Weißraum unter seiner eigenen Widmung, gemalt und illustriert, wie alle Hunde in dem Band, von Anja Rützel selbst.
Die freie Autorin und Take-That-Expertin schreibt Bücher und launige Kolumnen, letztere bevorzugt über Trash-TV-Formate von Dschungelcamp bis Sommerhaus. Aber was ist schon der Wendler gegen Waldi? Nichts. Deswegen sind die berühmten Menschen in ihrem Buch immer von ihren Hunden her gedacht. Anja Rützel beschreibt die Beziehungen zwischen Mensch und Tier und zeigt dabei auch unbekannte Seiten von Herrchen und Frauchen. Etwa bei Winston Churchill, der wider Erwarten keinen Bullterrier als Haustier hatte, sondern zwei rotbraune Pudel. »Der Bärbeiß und das lämmchenflaumige Tufftier« – das passte besser, als man denkt. Auch wenn Churchill die Tiere der Einfachheit halber in »Rufus und Rufus II« durchnummerierte.
Friedrich II. und die Windhunde
Arthur Schopenhauer besaß ebenfalls eine Menge Pudel, die alle »Atma« hießen. Da dieser Name wenig kose-geeignet ist, wechselte er öfter zum zärtlicheren »Butz«; hatte der Hund hingegen etwas angestellt, wurde er »Du Mensch!« geschimpft. Friedrich II. hatte ein ganzes Rudel von Windspielen, zierlich gebauten Windhunden, neben denen er auch bestattet werden wollte. Durch diverse Umbettungen und Kriegswirren kehrte er erst 1991, 205 Jahre nach seinem Tod, nach Potsdam und zu seinen geliebten Vierbeinern zurück. »Quand je serai là, je serai sans souci« soll der Monarch einst gesagt haben: »Wenn er einmal da sei, dann sei er ohne Sorgen.« Anja Rützel zieht den richtigen Schluss: »Dass mit diesem Glücksort nicht die königliche Residenz, sondern die Gruft gemeint ist. Und der Platz neben Biche, Alkmene und Superbe.«
Natürlich darf in so einem Buch die große Hundefreundin Queen Elisabeth nicht fehlen. Die »Wuselmasse« an kurzbeinigen Corgis, die die Monarchin umgibt, wurde von Prinzessin Diana »the moving carpet« genannt. Rützel hat das Grab von Susan besucht, Elisabeths erstem Corgi, von dem alle weiteren, inzwischen weit über 30, abstammen. Und dann ist da noch Michel Houellebecq und Clément, ein Welsh Corgi Pembroke, der auch das Cover ziert. Der Schriftsteller wird »ganz pastellen, wenn er über Clément spricht« schreibt Rützel und beleuchtet die innige Beziehung der beiden. In »Die Möglichkeit einer Insel« hat der Autor ihm ein literarisches Denkmal gesetzt. »Fox« ist im Roman unsterblich und wird 24 Mal geklont. Nach einer Lesung hatte der rauchende Houellebecq auf Rützels Wunsch ihr statt seiner Unterschrift einen kleinen, ebenfalls rauchenden Clément ins Buch gezeichnet. Das ist das einzige Manko an diesem schwerst schönen und teils rührenden Buch – der winzige, qualmende Skandalautoren-Hund ist leider nirgends zu sehen.
Anja Rützel: »Schlafende Hunde«, Kiepenheuer & Witsch, 272 Seiten, 20 Euro