Was sagt uns das? »Das ist eine Bühne. Das ist ein Schauspieler…« Das ist dies und das jenes. Die besser stumm gebliebene Kattrin, Tochterkind der Anna Fierling, genannt Mutter Courage, weist in einer Art Prolog mit zehn Zeigefingern auf den Charakter des Lehrstücks hin, das sich zwei Stunden lang um die eigene Achse dreht, um in der Rollerblade-Disco als Starlight Express zu enden.
Aber mal im Ernst! Sebastian Baumgarten treibt den Teufel mit Beelzebub aus. Auf der Videoleinwand, die grün gerahmt ist wie der Abschussmonitor im Drohneneinsatz, kreiselt ein Emblem mit dem Titel ‚Supermarkt’, das genau so aussieht wie das Signet vom Berliner Ensemble am Schiffbauerdamm. Was sagt uns das? Bertolt Brecht-Ausverkauf? Dass die Moral billig zu haben ist? Dass die Moritat darüber, wie jemand im Krieg seinen Schnitt macht und über Leichen geht, ausgedient hat?
Dafür fährt dann das Düsseldorfer Schauspielhaus ganz schön auf, und Baumgarten lässt das Achter-Ensemble – gewissermaßen bis an die Zähne bewaffnet und aufs Äußerste gepanzert stilisiert – mimen, als würde noch am Hindukusch das deutsche Theater verteidigt. Die Bühne (Alexander Wolf) kreist und kreist. Auf ihr gibt Courages Marketender-Karren bloß noch das Vehikel ab für ein Buchstaben-Puzzle, mal ist sie Rummelplatz, mal bereitet sie den Boden für einen Tanztee-Schwoof, mal bietet sie den Schauplatz für eine Hängepartie, bei der die zwei vom Krieg gefressenen Courage-Söhne an Seilen hochschaukeln, wo sie in der Luft wie kaputte Putten zappeln. Sogar Millowitschs Etappenhase hoppelt an die Rampe.
Was sagt uns das? – das grimassierende Schattenkabinett des Krieges, das durch eisigen Matsch stapft. Was sagt uns das? – das Rondell der Kerzen, die zu Beginn angezündet und am Ende gelöscht werden. Was sagt uns das? – das internationalisierte Kauderwelsch der Kostümierungen, Konfliktzonen und Konversationen, das die Regie in rasendem Stillstand radebrecht. Was sagt uns das? – die projizierten bunten Kirchenfenster mit Golgatha-Szene, bei der nur der Ausruf bleibt: Herrje, was für ein Zirkus!
In dieser Manege und Geisterbahn behauptet sich allein Rosa Enskat als Courage: eine resolut-fragile Fee fatale und ramponierte Marionette ihres Soubretten-Schicksals, die als Discoqueen in ihre Zukunft tanzt wie alle Übrigen auch, die in fleischfarbenen Trikot-Unterkleidern den alten Adam und die alte Eva bloßlegen. Im Epilog muss sogar noch Nietzsche dran glauben. Aber eigentlich war es ein Musical – ohne Schmiss. Die stumme Kattrin spricht mit der Zunge von »Zarathustra« – Zappenduster.
Aufführungen: 10., 11., 31. Oktober und 7., 8., 19. November, www.dhaus.de