Bisher waren potentielle Zeitreisende auf die Erfahrungen von Emmett »Doc« Brown angewiesen, was Kausalketten und die Bildung alternativer Zeitlinien angeht. Wäre der Flux-Kompensator nicht ein blinkendes Filmrequisit, sondern eine echte Zeitmaschine, dann wäre ein entsprechender Reiseführer dringend nötig. Das »Handbuch für Zeitreisende« von Kathrin Passig und Aleks Scholz ist da die passende Lektüre, schließlich will man wissen, welche Jahre und Anlässe sich als Ziele lohnen und wie man sich dort zu verhalten hat.
Passig und Scholz haben dafür quer durch die Weltgeschichte recherchiert – das Ergebnis ist ironisch, zugleich ernsthaft und höchst unterhaltsam. Nicht die erwartbaren Ereignisse sind das Ziel, sondern etwa der Alltag der DDR, Stonehenge 2000 bis 3000 Jahre vor unserer Zeitrechnung oder das Padua des Jahres 1610, als Galileo Galilei dort den Blick auf die Sterne radikal veränderte. Mit den Besuchen auf den Weltausstellungen betreiben die beiden zwischendurch rasante Technologiegeschichte, etwa 1862 in London, als der erste Telegraph, ein dampfbetriebener Kühlschrank und eine Vorform von Plastik vorgestellt werden.
Hinzukommen praktische Tipps in Sachen Kleidung, Ernährung, Trinkwasser und Benehmen. Dazu gehört auch Respekt und die eigene Selbstwahrnehmung des Reisenden. Nur weil man aus dem Jahr 2020 kommt, ist man noch längst kein fortschrittlicherer Mensch. Dem Gestern die Werte von heute aufzudrücken ist keine gute Idee: »Die Vergangenheit ist kein Entwicklungsland und nicht nur eine dümmere Version der Gegenwart.«
Kathrin Passig / Aleks Scholz: »Handbuch für Zeitreisende. Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer«, Sachbuch, Rowohlt Berlin, 2020, 336 Seiten, 20 Euro