Verwandlung, als Sakrament der Eucharistie Wandlung genannt, ist der christlichen Religion eingeschrieben: als Mysterium, nicht als Hochstapelei. Daniel, aus der Jugendstrafanstalt entlassen mit einer Adresse in der Tasche, die ihm ein Seelsorger gab und ihn in einem Sägewerk Arbeit finden lassen soll, wählt einen anderen Weg. Während der Haft ist er gläubig geworden – das bedeutet in Polen: römisch-katholisch. Aber kein Seminar würde einen Vorbestraften aufnehmen, um ihn zum Geistlichen auszubilden. In einem Dorf gibt sich Daniel als Priester, als Vater Tomasz, aus. Der alte Vikar, geplagt von Selbstzweifeln, ist nicht mehr auf der Höhe. Daniel übernimmt seine Stellvertretung, hört die Beichte, zelebriert die Messe, predigt – gut, auch wenn er zunächst die Worte seines Förderers aus dem Gefängnis wiederholt. Aber er füllt sie mit seinem eigenen Geist und mit Alltags-Leben. Er trifft die Sprache der Menschen.
Daniel, der Versöhner
Es ist eine kleine, ärmliche Landgemeinde, in der die Kirche das Zentrum behauptet und die Milch frommer Denkungsart noch mehr gemolken und getrunken, als vergossen wird. Und in der sechs Jugendliche bei einem Autounfall starben. Ein nicht verarbeitetes Trauma für die Angehörigen und die Witwe des Schuldigen. Daniel versöhnt. Versöhnt sich auch mit sich, als er enttarnt wird und vor dem Altarbild des Gekreuzigten seine ‚Rolle’ und das falsche Kleid ablegt. Zweimal singt er, mit schöner Stimme, Verse aus Psalm 23: »Der Herr ist mein Hirte. Mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue…« Das ist die Botschaft – für das »finstre Tal«, das Daniel so leicht nicht durchschreitet.
Jan Komasas Film, mit mehreren Polnischen Filmpreisen und einer Oscar-Nominierung ausgezeichnet, ist ein hochkonzentrierter, seine Moralität nicht ausstellender, ist ein starker, gnadenvoller und gnadenloser Glaubens- und Gewissens-Thriller, der ganz auf seinen Hauptdarsteller bezogen bleibt. Bartosz Bielenia hat das Gesicht eines Helden aus einem Film von Robert Bresson: das Gesicht eines Fanatikers und Inspirierten, offen wie eine Wunde, klar wie ein Quell, licht wie der Pfingsttag, streng wie Frost: Mystiker, Exorzist, gestreng wie ein neuer Savonarola und fröhlich im Herrn. »Corpus Christi« zeigt ein anderes Polen, als das derzeit engstirnig staatlich verordnete.
»Corpus Christi«, Regie: Jan Komasa, Polen / Frankreich 2019, 115 Min., ab 5. März 2021 auf DVD erhältlich.