Vorneweg: Engelskirchen wurde nicht nach Friedrich Engels benannt. Das hätte natürlich hervorragend gepasst, vor allem in dem Jahr, in dem der politische Philosoph, Autor und Aktivist seinen 200. Geburtstag gefeiert hätte. Dennoch sind die bergische Stadt und die Industriellenfamilie Engels eng miteinander verbunden. 1837 hatte Friedrich Engels sen. dort ein Hammerwerk gekauft, das er zu einer Baumwollspinnerei umbauen ließ. 1844 begann die Produktion nach englischem Vorbild. Die Verkehrswege nach Gummersbach, Köln und zum Firmensitz in Barmen (heute Wuppertal) waren optimal, die Agger lieferte das Wasser zum Färben der Garne. Sechs Jahre später war die Hälfte der Stadtbevölkerung in der boomenden Spinnerei beschäftigt. Erst als die Textilproduktion in Billiglohnländer abwanderte, musste die Fabrik 1979 schließen. Friedrich Engels junior leitete hingegen bis 1869 die Dependance-der Fabrik Ermen & Engels in Manchester – und war daher nur selten in Engelskirchen zu finden.
Was kommt nach der Arbeit?
200 Jahre später stellen nun das LWL-Industriemuseum Kraftwerk Ermen & Engels und das Kultursekretariat Wuppertal im Rahmen des Installations- und Diskursprojekts »Nach dem Beaufsichtigen der Maschinen« einige wichtige Fragen der Gegenwart: Was kommt nach der Arbeit? Was bedeutet Arbeit heute, angesichts großer Veränderungen und Krisen? Wie weit ist das Leben mit der Arbeit verwoben, und wer ist die »arbeitende Klasse« heute, in der sogenannten Digital Economy? Drei Tage lang bringen die Veranstalter*innen Ende September Performances, Installationen und Interventionen in den öffentlichen Raum. Überall in Engelskirchen wird man auf Kunstprojekte treffen, auf dem ehemaligen Fabrikgelände, auf Straßen und Plätzen, in der protestantischen Kirche, am Bahnhof und in der ehemaligen Familienvilla der Engels. Die Auftragsarbeiten, kuratiert von Florian Malzacher (ein Interview zu seinen Regiearbeiten finden Sie hier), entstehen teils in direkter Auseinandersetzung mit den Engelskirchener*innen.
Geschichten einer Stadt
Die Märkische Straße, die seit jeher Engelskirchen mit dem Rest der Welt verbindet, wird bei Ulf Aminde und Manuel Gogos zur »Straße der Arbeit«. Das Künstlerduo errichtet dort ein temporäres Denkmal für Migration, um an die internationalen Arbeiter*innen zur erinnern, die für ein besseres Leben ins Bergische Land kamen. Parallel dazu hat das Künstler*innen-Ensemble Quarantine aus Manchester Geschichten der Anwohner*innen der Märkischen Straße gesammelt und zur Audiotour »The People of« durch Modegeschäfte, Friseursalons und Kirchen verarbeitet. Die polnische Künstlerin Dagna Jakubowska lädt mit »Unser täglich Brot« zu einem »Erntedankfest der Zukunft« und fragt, wie wir in einer von Klimawandel und Pandemie veränderten Welt essen.
Antje Ehmann und der verstorbene Filmemacher Harun Farocki haben zwischen 2011 und 2015 über 400 zweiminütige Videos von Arbeitstätigkeiten aus der ganzen Welt gesammelt, gefilmt in nur einer Einstellung. Acht Arbeiten aus der Reihe »Einstellung zur Arbeit« sind in Engelskirchen zu sehen. Der rumänische Künstler Dan Perjovschi, der mit seinen Wandzeichnungen vor einiger Zeit das Foyer des Dortmunder U verschönert hat, verwandelt live Schaufensterflächen in Kunstwerke.
25. bis 27. September 2020
Begleitend zum Projekt wird die Online-Diskursplattform »Die Zukunft der Arbeit« freigeschaltet, auf der Künstler*innen und Theoretiker*innen politische und wirtschaftliche Fragen diskutieren.