Man sieht sie nicht, aber sie sind überall. Und zwar in Massen: Ein Kubikzentimeter Erdboden enthält etwa eine Milliarde Bakterien, ein Teelöffel Teichwasser eine Million und in einem Kubikmeter Luft schwirren immerhin noch tausend von ihnen umher. Entstanden sind sie vor ca. 3,8 Milliarden Jahren auf dem Grund der Ozeane in der Nähe heißer Quellen. Ludger Weß, 1954 in Dorsten geboren, der als Forscher der molekularen Entwicklungsbiologie arbeitete, hat den zähen Gesellen mit seinem »Bakterienatlas« ein kleines und feines Denkmal gesetzt, für dessen Lektüre man kein Naturwissenschaftler sein muss. Erschienen in der stets schön gestalteten »Naturkunden«-Reihe, illustriert von Falk Nordmann, entfaltet sich ein faszinierender und erstaunlich farbiger Mikrokosmos.
Vom Charakter sind die 50 vorgestellten Bakterien äußerst unterschiedlich – es gibt echte Fieslinge wie den Milzbrandauslöser »Bacillus anthracis« oder das Pestbakterium »Yersinia pestis«, das im 14. Jahrhundert 30 bis 50 Prozent aller Europäer dahinraffte. Dagegen stehen die nützlichen Bakterien, wie »Propionibacterium freudenreichii«, das für den Geschmack und die Löcher im Schweizer Käse verantwortlich ist. »Ideonella sakaiensis«, zerlegt zuverlässig PET-Plastikmüll, während »Cupriavidus metallidurans« in schwermetallhaltigen Umgebungen wächst und helfen kann, stark belastete Böden in Industrierevieren zu reinigen. Das Ruhrgebiet wäre also für das Bakterium, das auch auf der Raumstation ISS nachgewiesen wurde, der perfekte Ort, sich mal richtig den Magen mit Metallionen vollzuschlagen…
Ludger Weß, Judith Schalansky (Hg.), »Winzig, zäh und zahlreich – Ein Bakterienatlas«, Matthes & Seitz, Berlin, 280 Seiten, 25 Euro