kultur.west: Herr Bunnenberg, wie ist der Plan für das Coronarchiv entstanden?
BUNNENBERG: Die Idee eines digitalen Archivs war schnell geboren. Wir wollten eine Möglichkeit schaffen, mit der jedermann seine Eindrücke, Wahrnehmungen und Alltagserfahrungen dieser veränderten Situation beitragen kann, die dann von uns dokumentiert und archiviert werden. Am Ende wollen wir das alles als Gegenwartsbeobachtung der Zukunft zur Verfügung stellen. So hätten die Historiker*innen Quellen aus unserer Zeit und können dann Geschichte schreiben. Die Situation verändert sich jeden Tag, und dieses »kleine« Archiv soll letztlich Erinnerungen und Bilder speichern, die sonst verloren gehen würden.
kultur.west: Das »kleine« Archiv wächst stetig, Mitte April waren schon 820 Objekte in der Datenbank. Was schicken Ihnen die Menschen?
Bunnenberg: Eine sehr bunte Mischung aus allem, was sich digital hochladen lässt – Fotografien, Texte, Videos, Tonaufnahmen. Wir haben den Mitschnitt einer Durchsage der Feuerwehr aus Bayern, die dort durch eine Wohnsiedlung gefahren ist und die Leute aufgefordert hat, sich drinnen aufzuhalten. Wir haben auch viele Fotos von gesperrten Spielplätzen bekommen und leeren Einkaufsstraßen. Auf der Reeperbahn ist die Herbertstraße fotografiert worden – menschenleer mit offenen Toren. In letzter Zeit kommen vermehrt auch künstlerische Auseinandersetzungen, Gedichte oder kurze Texte. Kinder laden ihre Kreidebilder hoch, daran sieht man, wie sie sich die Straßen zurückerobern.
kultur.west: Wer kann und soll sich beteiligen?
Bunnenberg: Unsere Idee ist, dass wirklich jede und jeder mitmachen kann. Natürlich sollte man ein wenig digitalaffin sein, um die Sachen hochzuladen, aber wir haben das so niedrigschwellig wie möglich konzipiert. Wir merken aber auch, dass junge Leute etwas für ihre Großeltern einstellen. Mit der Körber Stiftung führen wir ergänzend eine Mitmach-Aktion für Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre durch, die aufgerufen sind, die Veränderungen ihres Umfelds zu dokumentieren. Das sind ja die Zeitzeugen von morgen, die so die Möglichkeit bekommen, sich mit der Situation kreativ auseinanderzusetzen. Das Coronarchiv ist generell nicht auf Deutschland beschränkt, wir haben bereits erste Beiträge aus Benelux und dem nördlichen Frankreich. Jeder kann mitmachen, von überall aus der Welt.