Sie sind oft die letzte Hoffnung, die lang ersehnte Oase in der Service-Wüste, das Licht am Ende des Tunnels. Wenn nichts mehr geht, wenn Elektrogeräte ihren Geist aushauchen, Fahrkarten umgebucht werden müssen, Mobilfunknetze darniederliegen und mehr Löcher haben als die Gegend um den Hambacher Forst, versprechen Service-Hotlines den Genervten schnelle Hilfe. Echte Menschen am anderen Ende der Leitung, die sich aller Probleme freundlich annehmen und diese souverän lösen.
Zwischen Problemhaben und Problemlösen
Soweit die Erwartung. Und natürlich gibt es diese Menschen, die den Anrufer*innen harren; schwierig ist es aber oft, sie überhaupt zu erreichen. Zwischen Problemhabenden und Problemlösenden hat der Service-Gott die Hürde der Kundenhotline gesetzt. Man hat selten jemanden direkt an der Strippe, stattdessen jovialt es vom Band, wie sehr das Unternehmen sich freue, dass man diese Nummer gewählt habe und so was von herzlich willkommen sei. Das hört man zwar gern. Der gute Willen kollidiert aber schnell mit einer weiteren Ansage, dass – natürlich – momentan leider alle Plätze besetzt seien, man aber die Möglichkeiten habe, sich zurückrufen zu lassen oder sich alternativ durch ein tastengesteuertes Menü zu quälen, das erwartbare Probleme vorschlägt und Anrufer*innen an den richtigen Telefonplatz leiten soll. »Wenn das Gerät qualmend quietscht, drücken Sie bitte die 1!« Man ahnt es bereits – das Problem, das man anzugeben gedenkt, liegt naturgemäß am Ende der Liste. »Drücken Sie die 48!« ist zwar etwas übertrieben, entspricht aber der gefühlten Zeit am Telefon.
Als Alternative wird man mit einem freundlichen »Bitte legen Sie nicht auf!« in eine Warteschleife geleitet. Dort kommen die Kund*innen in den zweifelhaften Genuss von GEMA-freier Musik, einer Art mutwillig dahindudelnde Wartezeitbeschallung, um das Volk bei Laune zu halten. Unternehmen mit größerem Budget beauftragen Agenturen oder Komponist*innen, für die Warteschleife einen »Corporate Sound« zu entwickeln, der zum Image und zum restlichen Markenauftritt passt. Akustische Markenführung nennen es die Expert*innen, wenn etwas das typische Telekom-Tüdeldüdü sich auch in den Keyboardwatteflächen im hauseigenen Callcenter-System wiederfindet.
Contest in Weimar
Man könnte diese akustischen Räume auch ganz anders und praktisch nutzen – etwa den Verkehrsfunk senden, oder die Wochenangebote des örtlichen Edeka-Marktes. Eine weitere Alternative wäre das Vorlesen von Kurzgeschichten durch bekannte Synchronsprecher, oder das Deklamieren von Haikus, den japanischen Kurzgedichten. Die Bauhaus-Universität Weimar war 2015 bereits auf dem richtigem Weg, als sie unter ihren Studierenden einen Warteschleifenmusik-Contest ausschrieb. Ergebnis waren unter anderem entspannte, kraftwerkeske Klingklangbögen zweier Studenten mit dem Titel »Nimm noch nicht ab, Elise«. Und Unternehmen, die sich generell nicht an akustischer Umweltverschmutzung beteiligen, aber unbedingt ihr kulturelles Image stärken möchten, könnten die Wartezeit mit John Cages Stück »4’33« füllen – fast fünf Minuten Stille bis zum nächsten freigewordenen Platz. Das wäre ein echter Service für die Ohren.