»Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Ich und meine Mutter, wir wohnen auf einem Baum«, sagt der neunjährige Ben (Claudio Magno). Das klingt romantischer als man denkt – der Wald ist für ihn und seine alleinerziehende Mutter Melli (Franziska Hartmann) der letzte Rückzugsort. In die Obdachlosigkeit gedrängt improvisieren sie, fernab der Wege, ein einfaches Zeltlager, damit sie niemand entdecken kann. Für Melli ist das nur eine Übergangslösung bis zu einer neuen Wohnung, zudem soll sie bald eine Stelle als Flugbegleiterin antreten. Als die Wohnungssuche aber immer aussichtsloser wird, Jugendamt und Arbeitgeber Druck machen, muss sie zum Wohle ihres Kindes eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Christina Ebels intensives Spielfilm-Debüt »Sterne über uns« eröffnet das 30. Kinofest Lünen – präsentiert wird der Film von seiner Regisseurin, der Produzentin und einigen der Darsteller*innen in der Cineworld.
Frauen, in der Provinz gestrandet
Sechs Spiel- und zwei Dokumentarfilme stehen in diesem Jahr im Wettbewerb um den mit 10.000 dotierten Publikumspreis »Lüdia«. Etwa »Master of Disaster« von Jürgen Brügger und Jörg Haaßengier, die Katastrophenübungen mit der Kamera dokumentiert haben – von der örtlichen Feuerwehrübung bis zu Weltuntergangsszenarien mit mehreren tausend Teilnehmer*innen. Elke Margarete Lehrenkrauss hingegen begleitet in ihrem Film »Lovemobil« in der niedersächsischen Provinz gestrandete Frauen aus Osteuropa und Nigeria, die in bordellartigen Wohnmobilen arbeiten. Die Regisseur*innen Lilly Engel und Philipp Fleischmann stellen »Als ich mal groß war«, einen ungewöhnlichen Hybrid aus Spiel- und Dokumentarfilm vor. Georg Erler hat mit »Der letzte Mieter« einen echten Gentrifizierungs-Actionthriller inszeniert. Georg Pelzers »Fluten« erzählt von der Ohnmacht des Einzelnen angesichts des wachsenden Konkurrenzdrucks – für einen Arbeitslosen wird die Beobachtung seines ehemaligen Vorgesetzten immer mehr zur Obsession.
Auch der Nachwuchs kommt nicht zu kurz: Im Wettbewerb um den Kinderfilmpreis »Rakete« stehen diesmal vier herausragende Werke, darunter Katja Benraths »Rocca verändert die Welt« über eine moderne Pippi Langstrumpf oder »Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar« von Markus Dietrich über Sue, die Superhelden-Comics liebt und nach der Entführung ihrer Mutter selbst Superkräfte entwickelt.
20 Jahre nach dem Abitur
Der Ruhrpott-Leserjurypreis der Ruhrnachrichten wird beim Kinofest künftig dauerhaft als Dokumentarfilmpreis vergeben – diesmal steht Dominik Wesselys »Es hätte schlimmer kommen können«, ein Porträt über Mario Adorf, ebenso auf der Liste wie der Fußballfilm »Das Wunder von Taipeh« und »Born in Evin« von Maryam Zaree. Launig dürfte es zur Sonntagsmatinee werden, bei der Bastian Pastewka, Fabian Busch und Hans Löw persönlich ihren Roadmovie »Sommer nach dem Abitur« vorstellen – darin haben drei Freunde vor 20 Jahren den magischen Sommer nach dem Abitur verpasst und beschließen, ihn unbedingt nachzuholen. Das vollständige Programm des Kinofest Lünen wird am 31. Oktober bekanntgegeben, dann startet auch der Vorverkauf.
13. bis 17. November 2019