Judäa könnte auch New Judea heißen. Zumindest gleicht das Reich von König Herodes in Stef Lernous Inszenierung einem heruntergekommenen Flecken in den Sümpfen des US-amerikanischen Südens. Mehr als einen heruntergekommenen Wohnwagen und einen Steg ins Nirgendwo hat der von Torsten Bauer gespielte Herrscher nicht vorzuweisen. Hier lüstert der alt gewordene Patriarch und Brudermörder nach seiner Stieftochter Salome, während ihn seine Gattin Herodias, eine verbitterte Trailer-Park-Xanthippe, fortwährend beleidigt und demütigt. Die schwüle, erotisch aufgeladene Atmosphäre von Oscar Wildes Einakter kippt indessen ins Dumpf-Brutale. Es würde kaum jemanden überraschen, wenn Herodes einfach über Salome herfiele. Allerdings fehlt diesem traurigen Wrack von einem König dazu der Mut. Außerdem wüsste Ronja Oppelts Salome, ganz stachelige Sumpfblüte, genau, wie sie sich seiner erwehren kann.
Alles dreht sich um Macht
Begleitet von 13 teils melancholischen, teils überraschend vulgären Songs, die der Liedermacher Tom Liwa für die Inszenierung geschrieben hat, entwickelt sich Lernous’ Interpretation von Wildes Stück zu einem Psychogram einer zerfallenden Gesellschaft. Die Übertragung des Stoffs in eine Südstaaten-Welt mag einen zunächst irritieren. Doch sie geht perfekt auf. Letztlich dreht sich alles eben nicht um Leidenschaft und Begehren, sondern allein um Macht. Ronja Oppelts Salome hat nichts Verführerisches an sich, außer ihrem instinktiven Bewusstsein für Herrschaft und Kontrolle. So werden ihre Begegnungen mit dem Propheten Jochanaan, den Daniel Rothaug als biederen Südstaaten-Prediger mit politischen Ambitionen verkörpert, zu Duellen um die Macht. Sie könnte tatsächlich die Verhältnisse in New Judea auf den Kopf stellen. Damit bleibt Herodes gar nichts anderes übrig, als letztlich ihren Kopf zu fordern. SAW
Termine: 09., 16., 20 & 24. März im Großen Haus
www.theater-oberhausen.de