An Hallas Wohnungswänden hängen, während über ihren Bildschirm Szenen von Klima-Katastrophen laufen, die Porträts von Gandhi, Mandela und Rosa Luxemburg. Das ist die Marschrichtung: Widerstand leisten, gewaltfrei, aber mit kämpferischen Mitteln. Mit Pfeil und Sprengstoff ist die Umweltaktivistin unterwegs in Island, um die mächtige Aluminium-Industrie das Fürchten zu lehren und mit findigen, nicht unriskanten One-Woman-Einsätzen die nationale Stromversorgung zu sabotieren. Flugblätter machen ihre Taten publik. Der Staat gegen Halla – und Halla gegen den Staat.
Während die lebenswarme Frau um die 50 im zivilen Alltag als Gesangslehrerin arbeitet und kurz davor steht, ein Waisenkind aus der Ukraine zu adoptieren, ist ihr Zwilling Asa Yogalehrerin (beide gespielt von der wunderbaren Halldóra Geirhardsottir). Halla betreibt die Revolte, Asa befindet sich auf dem esoterischen Trip und will bald in einen indischen Aschram. So halten die Schwestern die Balance zwischen Außen und Innen.
Der deutsche Titel wirkt ein bisschen zu doppeldeutig illustriert, der Originaltitel etwas zu martialisch. »Woman at War« / »Gegen den Strom« ist weder das eine noch das andere. Sondern eine hochherzige, mit der reifen Naivität einer Astrid Lindgren erzählte Geschichte von skurrilem Humor, politischer Urteilskraft und hintersinnigem Mutterwitz. So realitätsnah Benedikt Erlingsson auf die Welt schaut, so fantastisch sind seine Mittel und Figuren. Ob nun ein asiatischer Tourist als running gag mehrfach unschuldig in die Fänge der Polizei gerät; ob ein entfernter Vetter von Halla ihr Deckung verschafft; oder ob ein – imaginäres, jedoch leibhaftig auftretendes – Musikantentrio die Heldin mit seiner Begleitmusik gewissermaßen moralisch-ästhetisch unterstützt. Mit welchem Trick Halla, nachdem sie geschnappt wurde, aus der Zelle entkommt und in die Ukraine reisen kann, sei nicht verraten. Nur so viel. Es hat mit Blutsbanden zu tun.
»Gegen den Strom«, Regie; Benedikt Erlingsson, Island 2018, 101 Minuten, Start: 13. Dezember 2018