Eine Wohnlandschaft auf plüschigem Teppich, drei Fernseher, ein Tisch, zwei Stühle, Recamiere, auf einer Kommode eine Kugel und das Skelett eines Tieres. Alles strahlend weiß. Vom Publikum durch eine Scheibe getrennt. Ein Screen, der Innen von Außen, digitale und reale Welt, zwei Realitäten trennt. So wie Aaron Samuel Davis, Alejandro Russo, Simon Hartmann, Eray Gülay und Tyshea Suggs da entspannt in ihrem reinen Idealraum sitzen und das Publikum anschauen, ohne wirklich Kontakt herzustellen, ist nicht eindeutig, wer sich auf welcher Seite des Bildschirms befindet.
Die Kostüme in blassem Pastell (Gwen Wieczorek und Ben J. Riepe) heben sich nur gerade eben von dem Weiß des Hintergrundes ab. Und das auch nur solange, bis sich das Licht zu verändern beginnt. Zunächst nur in der Tönung des Weiß’ von warm zu frostig. Dann wird es bunt. Wie in einem Lichtraum von James Turrell gerät die Wahrnehmung in Schwingung. Je nach Ton treten einzelne Pastellfarben stärker hervor oder verschwinden in der Gesamtheit des Lichtes. Das Diffuse fordert die Augen heraus, manchmal scheint es neblig, machmal irrisierend. Mit schwebendem Sound unterlegt von Misagh Azimi.
Diese unsichere Wahrnehmung findet ihre Entsprechung in den Fragen, die abwechselnd von den Performern an die Zuschauer gerichtet werden. Meist leitet eine Selbstaussage in die Frage über. Nicht immer ergibt sich sofort ein Sinn, vieles ist irritierend, manches absurd. Es sind Fragen über Gott und den Tod, Himmel, Universum und Internet. Fragen nach der Identität in der realen wie der virtuellen Welt. Und nach jeder Frage verändert der oder die Fragende minimal die Haltung. So öffnet der Abend den Assoziationsraum, in dem Ben J. Riepe seine Recherchen anstellt. Nicht nur in diesem ersten Fragment. Weitere an anderen Orten sollen folgen.
Ungefähr in der Mitte des rund anderthalbstündigen Abends geschieht dann plötzlich etwas. Alle gemeinsam stimmen einen mehrstimmigen Choral an: „I was looking back to see if you were looking back to see if I was looking back to see – you were looking back at me.“ Gibt es in der digitalen Welt tatsächlich ein Diesseits und Jenseits? Und plötzlich wendet sich Aaron Samuel Davis ganz direkt an das Publikum mit einer kurzen Ansprache, als ginge das Stück jetzt erst los. Tatsächlich wird es danach bunt und rasant in einer absurden Fashion-Show, die in unzähligen Kostümen und Requisiten Verdrängtes und Ängste, Wünsche und Obszessionen aufmarschieren lässt. Sexualität und Gender changieren, Komik und Entsetzen überlappen, Kunst, Mode, Trash, Erotik und Gewalt fallen in eins.
Zuletzt wird das Bühnenaquarium mit Nebel geflutet, in dem die Geisterwesen in weißen Morphsuits ganz aufgehen. Nur die rosafarbenen Gummihandschuhe heben sich ab und formen in der Formlosigkeit das Nichts. Und die Zuschauer werden eingeladen, hinüber zu treten in die Welt hinter dem Bildschirm und sich unter die Geister zu mischen. Merkwürdig störend sind sie in dem reinen Weiß dieser fremden Welt. Vielleicht sind sie einfach noch nicht so weit, mit den Geistern wirklich in Kontakt zu treten.
Weitere Termine: 24. und 25. November, 20 Uhr, Düsseldorf, Kunstraum, www.benjriepe.com