Die Wetterlage für Berlin zeigt sich ungünstig: Dauerregen und Schnee und das im Oktober 1977. Deutscher Herbst? Ein Horrorfilm muss nicht Fakten bedienen, er braucht überhaupt nichts Dingfestes. »Suspiria« verbeißt sich aber in historisch bleierner Zeit und pult an deutschen Wunden, bis diese heftig ausbluten: RAF, die Geiselnahme von Mogadischu, Tod in Stammheim, Polizei-Fahndung. Weshalb? Um zu zeigen, dass die Magie des Terrors mit der esoterisch-okkulten eines Hexen-Zirkels vergleichbar ist? In der Markos-Dance-Company, deren Domizil malerisch an der Berliner Mauer liegt und ein eleganter Art Déco-Tempel der Eingeweihten ist, wird Susie Bannion (Dakota Johnson) neu aufgenommen. Ihre Jugend in Ohio war bereits von Zeichen und Wundern begleitet.
Eine andere Elevin, Patricia, verschwand, nachdem wir sie noch hypernervös beim jüdischen Psychotherapeuten Klemperer (Lutz Ebersdorf) erlebten, dem das Tagebuch seiner Patientin keine Ruhe lässt. Das darin gezeichnete Pentagramm, das die Hierarchie der Tanz-Leitung bezeichnet, lässt ihn Schlimmes fürchten. Tilda Swinton als Guru-hafte Madame Blanc mit der Aura einer surrealen flämischen Madonna, Ingrid Caven, Angela Winkler und Renée Soutendijk als geheimbündlerische Dark-Ladies in einem bräunlichen Marthaler-Viebrock-Styling machen theatralisch was her. Regisseur Luca Guadagnino hat ein Auge für Schauplätze, exquisiten Sinn für Details und ein Händchen für messerscharfe Montage, wie Alfred Hitchcock es kaum besser vermochte. Seine sich spastisch verrenkende Hommage an Dario Argento und dessen Vorbild-Film »Suspiria« aus eben dem Jahr 1977 ist somit der perfekte MacGuffin in eben Hitchs Sinn.
»Suspiria«, Regie: Luca Guadagnino, USA / Italien 2018, 150 Min., Start: 15. November 2018