Der Film ist einem unangenehm. Er provoziert bis zur Ablehnung, will peinlich und indezent sein, will, dass man lieber wegschauen würde. Wir sehen die Landschaft eines Männer-Körpers, Haar um Haar, Pore um Pore. Hören dazu die Frage nach dem Sinn dieses Films. Eine Videokamera wird installiert, in der eine junge Frau als indirekte Dialogpartnerin und nach außen verlagertes Ich und Gegen-Ich einer älteren Frau auftritt. Später tauschen die Zwei Rolle und Platz. Die 50-jährige Laura (Laura Benson) ist Autorin, Regisseurin, Darstellerin und Zuschauerin ihrer Obsessionen.
Sie meidet Berührungen. Besteht auf Distanz. Behält Kontrolle. Der weibliche Peeping Tom lädt Prostituierte zu sich ein und befragt sie. Ein Callboy masturbiert und duscht seinen tätowierten Körper. Wenn er gegangen ist, bettet sie ihren Kopf in die Laken, in denen er eben noch gelegen und seinen Geruch hinterlassen hat. Ein älterer Transsexueller, der die Erotik verspielt leicht zu nehmen scheint, erfüllt Lauras Bedürfnis nach »Wärme«. Bei dem Nächsten öffnet sie sich emotional, atmet sich frei, lässt Schreie heraus. Ist aber trotzdem ungerührt bei der Sache. Konfrontiert sich mit sanften, brutaleren, sadomasochistischen Rollenspielen, fantasiert sich in Situationen, träumt von dunklen Lustzonen. Ein Mann, der durch eine genetische Funktionsstörung alle Haare verlor (»Auf gewisse Weise hat man eine Maske weniger«, sagt er), ist der vierte – fiktive – Partner.
Die angestrengt, sogar verzweifelt wirkende Laura ist fremd mit sich. Will etwas über Gefühle erfahren, die sie sich nur als Körperkontakt vorstellt. Sie besucht eine Klinik, wo Menschen mit schwerer Behinderung in Therapiesitzungen einander berühren und erkunden, Scheu überwinden, sich mitteilen. Es ist eine hochglänzend kalte Umgebung, gläsern, weiß, bläulich. Manchmal geht die Kamera ganz nahe heran, manchmal bleibt sie weit entfernt. Wir sollen nie vergessen, dass es eine Spielsituation und semi-dokumentarisch inszenierte Realität ist, ständiger Be-Spiegelungsvorgang, der Abwehr oder Identifikation hervorruft. Bergman und Chéreau als die Großmeister der Seele und der Körper, der Analyse und Intimacy sind die unsichtbar Anwesenden hinter diesem unerbittlichen Experiment von Alina Pentilie. Beide Regisseure waren härter und weicher, subtiler und gleichzeitig einfacher, als es »Touch me not« ist. Seine melancholisch meditative Atmosphäre ist ein Konstrukt: abstrakt.
»Touch me not«, Regie: Alina Pentilie, Rumänien, D, F, CZ, Bulgarien 2018, 125 Min., Start: 1. November 2018