Popliteratur? Damit brauchte man ihm gar nicht erst kommen. Mit dieser Schublade konnte und wollte Wolfgang Welt nichts anfangen. Klar – hätte er seine Romane und Musikkritiken zehn Jahre später veröffentlicht, Mitte der 90er, zu Zeiten von Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre, wäre Welt vielleicht feuilletonrauschend in diese Reihe aufgenommen worden. Stuckrad-Barres »Panikherz« war eines der letzten Bücher, die Welt vor seinem Tod 2016 las und für »maßlos überschätzt« hielt, weil er das alles schon selbst aufgeschrieben habe, aus seinem eigenen Leben. Die Erfolge, die Abstürze, den Alltag. Das Schreiben über das Schreiben.
So wird Wolfgang Welt zwar nicht als Literatur-Entertainer in Erinnerung bleiben, sondern als Schriftsteller, Musikjournalist und Buddy Holly-Ultra aus Bochum. Als legendärer Heinz-Rudolf-Kunze-Beschimpfer (»Singender Erhard Eppler«), als Verfasser seiner autobiografischen, lässig-lakonischen Romane »Peggy Sue«, »Der Tick«, »Doris hilft« und »Fischsuppe«. Als der, der sich verrückt schrieb. Mitte der 80er Jahre erkrankte er an manischer Depression in Verbindung mit Schizophrenie und arbeitete danach als Nachtwächter im Bochumer Schauspielhaus. 1995 wandte sich Welt in einem offenen Brief an die Bochumer Kulturdezernentin, um sich selbst als Preisträger für den Peter-Weiss-Literaturpreis vorzuschlagen – natürlich ohne Erfolg.
Ein Blumenbeet trägt seinen Namen
Bochum, die Stadt mit dem Buch im Wappen, fremdelt immer noch mit Welt und dessen Werk. Keine Straße, kein Platz ist nach ihm benannt. Immerhin hat es für ein Blumenbeet gereicht, das eine Anhängerin und Journalistin für Welt in Werne angelegt hat. Eigentlich müsste Welts Nachlass, der nun im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut in einer kleinen, aber sehr feinen Ausstellung zu sehen ist, einen dauerhaften Platz in seiner Heimatstadt finden. Die Kuratoren Jan von Holtum und Martin Willems haben sich durch zehn Archivkisten gegraben und teils noch nie gezeigte Exponate zutage gefördert, die das bisherige Bild des Autoren vervollständigen.
Seine Schreibmaschine. Ein Familienbild des kleinen Welt von 1958 und der Notiz »Wow. Tanzt erstmals Rock ‚n‘ Roll«. Handkes »Die Angst des Tormanns vor dem Elfmeter«, das erste ihm wichtige Buch, das er mit 17 Jahren las. Manuskripte, begonnene Texte, teils auf die fettige Papierrückseite einer Tablett-Einlage eines Fastfood-Restaurants geschrieben. Alte Ausgaben der Magazine »Musikexpress«, »Sounds« und »Marabo«. Das unbekannte Fragment eines Theaterstücks. Wolfgang Welt, lachend, mit Schnauzer und Cowboyhut zusammen mit Hank Williams. Sein Schriftverkehr mit den Verlagen, die darauf folgenden Absagen und der Brief Handkes von 2002, der von ihm überzeugt ist und Hilfe anbietet: »Lieber Wolfgang, soll ich bei Suhrkamp etwas für Ihr Werden und Wirken tun? (Jemand schrieb mir, Heyne wolle nicht recht.) Einen schönen Sommer, nicht zu stubenwärts – Ihr Peter Handke.«
Außerdem kann man sich durch Welts Plattensammlung hören und Weggefährten wie Frank Goosen, Marc Degens, Mike Litt und Leander Haußmann haben Clips mit Erinnerungen beigesteuert. Und dann sind da noch die Seiten seines unvollendet gebliebenen Romans »Die Pannschüppe« über den Fußballverein TuS Wilhelmshöhe, über den Welt mal sagte: »Ich will einigen Leuten ein Denkmal setzen, die sonst nicht mal einen Grabstein bekämen.« Auf dem Deckel des Kartons, in dem sich die Seiten befanden, entdeckten die Kuratoren eine hastige Notiz, die zuerst banal klingt, aber davon zeugt, nicht vergessen werden zu wollen: »Nicht wegschmeißen.«
Die Ausstellung »Wolfgang Welt – Aber ich schrieb mich verrückt« ist bis 18. November 2018 im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut zu sehen
(Tel.: 0211/89-95571, www.duesseldorf.de/heineinstitut)
Vortrag: Am 30. Oktober spricht Katja Kullmann über Wolfgang Welt und die Frauen.
Am 18. November ist eine Führung durch die Ausstellung geplant.