TEXT HONKE RAMBOW
Im Hintergrund schimmern die rostigen Turbinenanlagen, auf dem Screen darüber ein Sternenhimmel, davor eine Bühne für das Ensemble Musikfabrik. In der Bochumer Turbinenhalle stehen sechs weitere kleine Podeste an den Wänden und eines mittig im Raum, umgeben von einigen Bruchsteinen auf einer blauen-weiß marmorierten Fläche, darüber eine weitere Projektionsfläche. Eine „Operninstallation“ nennt der New Yorker Komponist Elliott Sharp seine Komposition „Filiseti Mekidesi“, die als Auftragswerk für die Ruhrtriennale entstand. Die beiden Wörter des Titels, die „Schutzraum“ und „Migration“ bedeuten, entstammen der ampharischen Sprache, die in Äthiopien und Eritrea gesprochen wird, wo man den Ursprung der Menschheit vermutet. Am Anfang von allem beginnt auch Sharps Erzählung. Zu elektronisch erzeugtem, sphärischen Flirren zieht ein Meteoritenschauer über die Leinwände, verdichtet sich, eine Doppelhelix entsteht. Die Videoprojektionen von Janene Higgins sind das deutlichste erzählerische Moment an diesem Abend. Von der Entstehung des Lebens durch die durch das All schießenden Meteoriten, über Fisch- und Vogelschwärme, durch Savannen ziehende Tiere, bis hin zum umherwandernden Menschen. Weltgeschichte als Migrationsgeschichte. Elliott Sharps Werk lässt in seinem universalen Ansatz fast an eine andere Komposition dieser Ruhrtriennale denken: Charles Ives „Universe Symphony“.
Nur bruchstückhaft verständlich
Das Raumkonzept löst sich an diesem Abend allerdings nicht ganz ein. Das Publikum kann zwar in der unbestuhlten Halle seinen Platz zwischen den Podesten frei wählen und herumwandern, aber ein wesentlicher akustischer Mehrwert ergibt sich dadurch nicht. Allzu oft ebnen elektronische Zuspielungen die Verteilung der Sänger des Ensembles Voxnova Italia und der Solistin Kamilya Jubran in der Turbinenhalle ein. Auch eine dramaturgische Notwendigkeit der Positionierung ist kaum erkennbar, da die Texte von Tracie Morris, Edwin Torres und Elliott Sharp über weite Strecken nur bruchstückhaft verständlich sind. Selbst dann, wenn sie in einem expressiv psalmodierenden Ton gesungen werden.
Elliott Sharp gehört zum Biotop der New Yorker Avantgarde, in dem seit den 1970er Jahren Jazz, Pop, improvisierte und Neue Musik amalgamiert wird. All das spiegelt sich auch in „Filiseti Mekidesi“ wieder. Im Gesang finden sich die Spuren der Stimmarbeit eines Dieter Schnebel und die Textzerlegung eines Luigi Nono genauso wieder wie die Vokalartistik von Diamanda Galas. Die Komposition bedient sich oft bei Techniken der Minimal Musik, erinnert an Steve Reich oder die nervösen, aus schneller Bewegung gefügten Klangflächen György Ligetis. Ethno-Anklänge illustrieren den universellen Anspruch und gelegentlich grundiert das Schlagwerk mit Rhythmen, die Jazz erahnen lassen. Elliott Sharp fügt das alles geschickt zusammen, entgeht dabei aber nicht immer dem Eklektizismus. Etwas mehr eigenen Sound würde man sich im Ganzen wünschen. Am Schluss zerfällt die DNA und die Meteoriten bewegen sich zurück ins All.
Wieder am 6. September, 21 Uhr, Bochum, Turbinenhalle an der Jahrhunderthalle
Tickets: www.ruhrtriennale.de