REZENSION ANDREAS WILINK
Eine Liebe, die muss nicht immer viel kosten. Sie kann auch ihren Wert steigern, ohne zu spekulieren und gewinnorientiert zu sein. Fassbinder ist fast 40 Jahre tot und der Neue Deutsche Film auch. Der Ruf, dass wir neue Bilder und anders erzählte Geschichten brauchten, wurde und blieb danach immer wieder laut vernehmlich, aber selten gehört. Gewiss von Tykwer, Petzold, Maren Ade und ein paar anderen. Auch der Österreicher Hans Weingartner, Jahrgang 1970, gehört dazu, der mit „Das weiße Rauschen“ und „Die fetten Jahre sind vorbei“ Anfang der Zweitausender-Jahre utopische Gedanken, konkrete Poesie, den Geist der Jugend und narrativen Geradsinn zu verbinden suchte. Es gelang, auch wenn die beiden Folgefilme („Free Rainer“, „Die Summe meiner einzelnen Teile“) sich total verstiegen hatten.
Jetzt, nach längerer Pause: „303“, dessen Titel sich auf den Wagentyp eines Mercedes Wohnmobils bezieht – und die Erzählform sich an Richard Linklaters Trilogie „Before Sunrise“, „Before Sunset“, Before Midnight“ orientiert. Jan (Anton Spieker) ist von Berlin aus per Anhalter unterwegs nach Spanien, um dort erstmals seinen Vater zu treffen. Jule (Mala Emde) sitzt am Steuer des 303, denkt an ihr vergeigtes Biologie-Examen, an ihren Bruder, der sich umgebracht hat, daran, dass sie schwanger ist und zu ihrem Freund unterwegs, der in Portugal lebt und mit dem sie klären will, was mit dem Kind werden soll.
Als Jan sie an einer Raststätte anspricht, nimmt sie ihn mit. Sie quatschen, erzählen einander über sich, ihre Wege trennen sich, sie treffen sich wieder (nach einem für Jule unangenehmen, bedrohlichen Zwischenfall mit einem zudringlichen Kerl), sie kommen gemeinsam dem Süden und der Atlantikküste näher und einander auch. Mehr ist nicht zu sagen oder aber ganz viel.
Mitte Zwanzig, Studentenjahre, Ideale oder schon die Frustrationen angesichts der Mühen des Alltags und einer Welt der Plagen. Die beiden reden, reden und reden: über Gott und die Welt, die eine mit naturwissenschaftlichem Verstand und weit offenem Herzen, der andere aus seinem von Skepsis und Pessimismus geprägten Weltbild heraus, das sich ihm in den Egoismen und Negativ-Handlungen seiner Mitmenschen bestätigt.
Der Zuschauer meint, das Protokoll einer Begegnung zu sehen, das beinahe dokumentarisch inszeniert ist, seinen Figuren in allem folgt, ihnen ihr Inneres ablauscht, sie voller Zuneigung betrachtet und das Unverstellte, Untaktierende, gelöst Freie und Spontane zweier junger Menschen beobachtet.