k.west: Macht Sie der Abschied von den Ruhrfestspielen wehmütig?
HOFFMANN: Auf jeden Fall. Ich habe mit dem Herzen so an dieser Region gehangen, dass mir der Abschied nicht leicht fällt.
k.west: Geben Sie damit auch ein Stück Heimat auf?
HOFFMANN: Es stimmt, das Ruhrgebiet ist in dieser Zeit zu meiner zweiten Heimat geworden. Dennoch war ich mir immer bewusst, dass ich von draußen komme. Das habe ich aber als Gewinn und als Chance betrachtet. So konnte ich mir einen Freiraum, einen anderen Blick, bewahren.
k.west: Was hat sich diesem anderen Blick offenbart?
HOFFMANN: Ich habe Menschen gesehen, die uneitel, direkt und sehr offen sind – auch für Migranten wie mich (lacht). Wer ihnen ebenso offen begegnet, kann sehr schnell ihr Herz gewinnen. Aber zugleich habe ich auch gesehen, dass es dieser Region manchmal an dem Selbstbewusstsein fehlt, das sie haben dürfte, eigentlich auch haben müsste.
k.west: Wie offen für Fremdes war das Publikum?
HOFFMANN: Ich habe in den 14 Jahren eine große Entwicklung miterlebt. Das spiegelt sich auch in den Festivalprogrammen. Im Rückblick würde ich sagen, dass die Programme in meinen ersten Jahren schon etwas konservativer ausgerichtet waren. So haben wir die Menschen mitgenommen. Mit der Zeit konnten wir auch andere Theaterformen bieten, die manchmal auch abgelehnt wurden. Das gehört dazu. Es war schließlich nicht alles perfekt, was wir hier gezeigt haben. Doch das ändert nichts an der Entwicklung. Das Publikum der Ruhrfestspiele ist immer neugieriger und offener für das Unkonventionelle geworden.
k.west: Gleichwohl scheint es, dass die Ruhrtriennale eher das Festival für formale Experimente ist.
HOFFMANN: So einfach kann man das nicht sagen. Wir haben vieles gewagt, auch im formalen Bereich. Strategische Entscheidungen sind mir aber fremd. Ich wollte nie den aktuellen Trends nachlaufen. Mir ging es darum, nach der Themensetzung Stücke zu finden, die mir gesellschaftlich wichtig erschienen. Die Theaterszene ist ein sehr kleiner, zum Teil extrem auf sich selbstbezogener Kreis, den ich oft nur von ferne beobachte. Für mich sind diese Festspiele etwas ganz Eigenes. Ein Festival zu machen, das ist die Kür. Die Pflicht, das sind die Stadttheater.
k.west: Auch in der Kür muss man Rücksichten nehmen.
HOFFMANN: Ja, aber das ist nicht entscheidend. Die Mischung von Populärem und nicht so Populärem hat sich meist einfach ergeben. Ich habe vieles aus dem Bauch heraus entschieden. Die reine Lust und Freude am Theaterabend ist etwas, mit dem sich Teile des deutschen Publikums schwertun. Für mich steht aber die leichtfüßige Komödie neben dem politisch relevanten Drama. Beides hat seinen Platz.
k.west: Aber auch in Ihren Programmen rückten und rücken politische Fragen zunehmend ins Zentrum.
HOFFMANN: Wir können uns nicht mehr auf uns selbst zurückziehen. Können auch nicht mehr nur darüber nachdenken, welche neuen Formen im Theater noch möglich sind. Wir müssen uns fragen, wie wir auf die gewaltigen Umwälzungen in der Welt reagieren. Zynisch waren die Herrscher immer schon, zumindest einige von ihnen, aber dass sie das nicht mehr kaschieren, das ist die neue Entwicklung. Auf die haben wir in den vergangenen Jahren mit unseren Programmen reagiert.
k.west: Kann das Theater vor diesem Hintergrund überhaupt etwas ausrichten?
HOFFMANN: In Nancy ist Fernando Arrabal nach der französischen Premiere meiner Inszenierung seines Stücks »Dalí vs. Picasso«, die 2014 auch in Recklinghausen zu sehen war, aufgestanden und hat auf die Frage, wer die Welt verändert hat, geantwortet: Nicht die Politiker! Für ihn waren es Picasso, Dalí, Ionesco und Beckett. Theater kann die Welt verändern, wir müssen nur daran glauben. Der damals 82-jährige Arrabal hat daran geglaubt. Ich hingegen war bis dahin eher skeptisch. Aber wenn die Welt so krank ist, dann müssen wir sie verändern.