REZENSION SASCHA WESTPHAL
Alles wiederholt sich. Das ist das Wesen von Theater und das Schicksal der Theatermacher. Jeden Abend steht der Großkünstler Bruscon auf einer anderen Dorfbühne und führt gemeinsam mit seiner seelisch und teils auch körperlich deformierten Kleinfamilie »Das Rad der Geschichte«, seine Jahrtausende umspannende Menschheitskomödie, auf. Jedes Mal der gleiche Kampf. Wo Bruscon hinsieht, erblickt er Kunstvernichter, in seiner Familie ebenso wie im Publikum. Also ergeht er sich in Tiraden gegen alles und jeden. Größenwahn und Weltekel gebären einen Schwall wiederkehrender Verwünschungen. Die Wiederholung ist zum zweiten Wesen Bruscons geworden.
Damit ist Bernhards »Theatermacher« wie geschaffen für Kay Voges’ Theater der Loops und Variationen. Doch zunächst gehört die Bühne des Schauspielhauses, die mit ihrer Sichtbeton-Ästhetik, elektrischen Rolltoren und den zahlreich verteilten Feuerlöschern (Bühnenbild: Daniel Roskamp) deutlich an den Megastore, die ehemalige Ausweichspielstätte, erinnert, ganz dem österreichischen Autor. Mit seiner manischen Furcht vor der Willkür der Feuerwehrhauptmänner ist Bruscon in Dortmund am rechten Ort. Schließlich waren es unter anderem Brandschutzmaßnahmen, die zur fast zweijährigen Schließung des Hauses führten.
Etwa eine Stunde lang lässt Voges also Bruscon gewähren und spielt das Stück fast vom Blatt. Andreas Beck gibt einen wuchtigen Theatermacher, der allein mit seiner Körperfülle und raumgreifenden Präsenz alle anderen erdrückt. Ein Monster des Hasses wie der Sentimentalität, das ansatzlos vom Fluchen ins Schwärmen und vom Schwärmen ins Fluchen gerät. Alles an ihm ist Theater. Das hat auch der schmächtige Wirt (Uwe Rohbeck) verstanden. Er imitiert Bruscons Haltung und Gesten und verwandelt die nahezu stumme Rolle in ein komödiantisches Kleinod. Künstler mögen lächerlich sein, aber die Kunst kann aus dem Alltag erretten. Vielleicht die tröstlichste Erkenntnis in Voges’ Inszenierung, die nach einer Stunde neu startet und am Ende ganze neun Variationen des Stückes präsentiert hat. Jeder der fünf Darstellerinnen und Darsteller ist wenigstens einmal Bruscon. Wenn schließlich die Frauen die Männer verfluchen und Xenia Snagowski Bernhards Suada in ein wildes Punk-Gebet verwandelt, schlägt der Hass aufs Theater endgültig in Liebe um. Die Bühne mag Tyrannen erschaffen – aber sie kann sie auch stürzen.