REZENSION ANDREAS WILINK
Dass die unscheinbare, stumme Reinigungskraft Elisa und ihr älterer melancholischer Nachbar Giles (Richard Jenkins), ein Plakatmaler, dessen Kunstfertigkeit zusehends von der Werbefotografie verdrängt wird, über einem Kino wohnen, kann kein Zufall sein. Dort, in diesem Cinema Paradiso, läuft monumental Biblisches von Henry Koster in Cinemascope, während bei ihnen daheim in sepiabrauner Wärme der Fernseher in seiner hölzernen Konsole Revue-Filme tanzen und Shirley Temple steppen lässt. Aber die 50er-Jahre, in die uns »Das Flüstern des Wassers« zurückspült, kannte im Kino auch das Horror- und Fantasy-Genre mit all den »Dingen aus einer anderen Welt« oder Fieses aus der »Schwarzen Lagune«. Darin spiegelte sich die Angst einer Gesellschaft vor realen oder vermeintlichen Bedrohungen wie dem Atom oder dem Kommunismus.
Hier nun kämpft die Gemeinschaft der Ausgegrenzten, ob sie nun ‚falsch’ lieben und fühlen oder in der ‚verkehrten’ Hautfarbe geboren sind, gegen das lebensfeindliche System und die politische Hybris, in der die USA im Wettkampf mit den Russen den Weltraum für sich reklamieren. In einem – wie Katakomben gestalteten – Forschungslabor, wo Elisa putzt, hält der Staatsbeamte und eiskalte Krieger Strickland (Michael Shannon) ein Lebewesen gefangen, das er am Amazonas fand, wo die geschuppte Amphibien-Kreatur als Gott verehrt wurde. Er quält es mit dem Elektroschocker sadistisch bis aufs Blut.
Oh, die alten, gar nicht so guten Zeiten! Märchenstoff für Schreckens-Geschichten. Das old-fashioned Girl Elisa (Sally Hawkins), eine Schwester der Pariserin Amélie, Träumerin und Waise, die als Kind am Fluss aufgefunden wurde, nimmt mit hart gekochten Eiern und dem Swing von Benny Goodman Kontakt zu dem fremden Geschöpf mit den traurigen Augen und dem sanften Mund (Doug Jones) auf. Sie verliebt sich in den Mann, der es auch ist, und befreit ihn mit Hilfe von Giles, ihrer farbigen Kollegin und dem Wissenschaftler Dimitri.
Guillermo del Toros Variation des Schicksals der Kleinen Meerjungfrau, die unter die Menschen fällt, spielt ebenso raffiniert mit Zitaten wie auf der Klaviatur der Gefühle, was berückend ist und sehr tröstlich, aber zugleich etwas zu herzig betulich anmutet. Da fehlt dann doch Wes Andersons Blick, der das Naive skurril bricht.
»Shape of Water«; Regie: Guillermo del Toro; USA 2017; 123 Min.; Start: 15. Februar