TEXT GUIDO FISCHER
Er war der etwas andere Daniel Düsentrieb der Neuen Musik. Mehr als zwei Dutzend Musikinstrumente hatte Harry Partch bis zu seinem Todesjahr 1974 konstruiert. Mit jedem interpretierte der Kalifornier das Design-Motto »Form follows function« auf recht unzeitgemäße Weise. Statt nämlich seine musikalischen Visionen mittels einer mikrotonalen, aus 43 Tönen bestehenden Skala an elektronischen Klangerzeugern umzusetzen, verbaute er Mitte des 20. Jahrhunderts akustische Ur-Wesen. Gut zwei Meter groß ist etwa das mit 72 Gitarrensaiten bespannte Harfenmonster »Kithara II«. Beim spielzeugartigen »Bloyboy« strömt die Luft durch Autohupen und Orgelpfeifen.
Diese sonderbar aussehenden und ebenso klingenden Skulpturen waren 2013 erstmals in Deutschland bei der Ruhrtriennale in Heiner Goebbels’ Ägide zu bestaunen. Für Partchs abendfüllendes Musiktheaterstück »Delusion of the Fury« hatte das Ensemble Musikfabrik das Instrumenten-Bestiarium extra nachbauen lassen. Seit der international gefeierten Produktion ließ sich das in Köln beheimatete, auf zeitgenössische Musik spezialisierte Ensemble weitere Projekt-Ideen für Partchs archaisch anmutende, bizarr schöne Klang-
erzeuger einfallen.
Nach der multimedialen Erinnerung an den Comiczeichner George Herriman, die 2014 beim Essener Neue-Musik-Festival NOW! mit Partch-Werken aufgeführt wurde, fand zu Beginn dieses Jahres in der Berliner Volksbühne die Uraufführung einer ganz anderen Hommage statt. Präsentiert wurde »Monophonie«, das der DJ und Komponist Philipp Sollmann im Auftrag der Musikfabrik geschrieben hat. Eigentlich ist Sollmann unter dem Künstlernamen DJ Efdemin in der Techno-Szene eine angesagte Größe und legt u.a. im Berliner Berghain auf. Nachdem er »Delusion of the Fury« gesehen und gehört hatte, reizte es ihn, etwas für das rein akustische Klanguniversum Partchs zu schreiben. An dessen Instrumenten, sagt Sollmann, fasziniere ihn besonders ihre klanglich absolut einzigartige Individualität.
Der studierte Computermusiker hat sich auf Umwegen der Aufgabe gestellt. Er machte zunächst Aufnahmen einzelner Instrumente wie dem surreal sich aus dem Boden hoch schlängelnden, mit Percussionskapseln behängten Kürbisbaum und bearbeitete sie digital. Diese Samples ließ er dann quasi wieder zurückübersetzen in eine ordentliche, für die Musikfabrik spielbare Notensprache. Um dem Partch-Sound zudem etwas »Noisiges, Metallisches« zu verleihen, erweiterte der Wahl-Berliner das Spektrum von »Monophonie« um Klangobjekte des amerikanischen Designers Harry Bertoia sowie die vom Berliner Universalgelehrten Hermann von Helmholtz erfundene Doppelsirene mit ihren eindringlich monotonen Klangflächen. Ursprünglich wollte Sollmann das ganze Stück daher auch »Monotonie« nennen. Entschieden hat er sich indes für ein Wortspiel von Partch, der mit »Monophonic Fabric« einen Tonraum bezeichnet, der sich auf einen Grundton bezieht.
So steht nun das gemeinsam von der Musikfabrik und dem Komponisten gespielte, mit seinen repetitiven Rhythmen durchaus zum Tanzen einladende Stück im Mittelpunkt eines Abends, bei dem zwei weitere Partch-Fantasien zu hören sind. »Korpus« des Dänen Simon Steen-Andersen wurde 2015 im Rahmen der Salzburg Biennale uraufgeführt sowie ein Stück des Norwegers Helge Sten, der sich mit seinen Bands und Projekten ansonsten zwischen Rock, Ambient und Noise bewegt.
»Monophonie« im Rahmen der Ruhrtriennale: Werke von Simon Steen-Andersen, Helge Sten, Harry Partch, Phillip Sollmann; Ensemble Musikfabrik; 16. & 17. September, Jahrhunderthalle, Bochum; www.ruhr3.com