TEXT ANDREAS WILINK
Es beginnt mit Bildern vom Sieg, den Paraden 1945 und dem grenzenlosen Kredit auf Zukunft, Erfolg, Glück. Es beginnt als Amerikanischer Traum. Und endet am Sarg vor der offenen Grube. Philip Roth’ Roman »Amerikanisches Idyll« ist das bittere Gegenteil von dem, was sein Titel vorgibt. Die Geschichte des »Schweden« Seymour Levov, Sport-Athlet, Kriegsheld und nobler Businessman, wird retrospektiv erzählt – durch dessen Bruder Jerry, der sie bei einem Klassentreffen dem einstigen Mitschüler und als Schriftsteller zu Ruhm gelangten Nathan Zuckerman (Roth’ Alter Ego) am Abend vor Seymours Beerdigung anvertraut.
»Das Leben meinte es gut mit ihm«, war auch Zuckermans Meinung über den »Schweden«: verheiratet mit Dawn, einer Miss-Wahlen-Schönheit, erfolgreich die vom Vater übernommene Handschuhfabrik in New Jersey führend und selbst liebender Vater einer bezaubernden Tochter. Dass Merry stottert, sei Reaktion auf das modellhafte Leben und perfekte Elternhaus, sagt die Therapeutin und eine Strategie, sich abzusetzen von der idealen weißen (halbjüdischen) Mittelstandsfamilie in einer Ära, da die Idole noch JFK, Jackie und Audrey Hepburn sind.
Dann folgt der Epochenbruch: Vietnam, soziale Spannungen, Rassenunruhen, Black Power, die Jugendrevolte, der unerklärte Bürgerkrieg. Merry (Dakota Fenning) wird Teil davon, sie, deren Problem es ist, »immer zu weit zu gehen und nicht mehr bremsen zu können«. Mit 16 radikalisiert sie sich gegen das, was sie für die Lüge des Establishments hält. Dann explodiert das kleine Postamt von Old Rimrock – bei dem Bombenattentat stirbt ein Mann. Merry taucht unter. Seymour und Dawn (Jennifer Connelly) werden an dem Verlust zerbrechen, selbst als Merry wieder auftaucht als tote Seele, verwahrlost und verkümmert. Der »Schwede« anerkennt die totale Niederlage. Wo liegt seine Schuld?
Ein wenig teilt die Verfilmung das Problem ihrer Figuren: Sie sieht zu gut aus, zu glatt und makellos. Zumindest in der ersten Hälfte, bevor das Leuchten abdunkelt und sich braun einfärbt. Gediegen, emotional berührend bis zur Erschütterung und angenehm old fashioned, gleicht das Regie-Debüt von Ewan McGregor (der auch den »Schweden« spielt) der allgemeinen Vorstellung, die der Leser bei der Lektüre des Romans entwickelt, wobei Roth’ komplexer Stil linear begradigt und narrativ vereinfacht wurde. Bei Philip Roth lautet der letzte Satz: »Was um alles in der Welt ist weniger verwerflich als das Leben der Levovs?«
»Amerikanisches Idyll; Regie: Ewan McGregor; USA 2016; 102 Min.; Start: 17. November 2016.